10)
Lieber Hermann,
Deine Ansicht betreffs dieser weitgehenden Rechte des Regisseurs
und des Vorlesers - nach Belieben zu streichen und zu ändern!- teile
ich durchaus nicht. In Hinsicht auf "Regisseur" und auf “Streichen“
könnte man ja manches zugeben.- Beim Theater handelt es sich nicht nur
um einen Abend und das Misslingen des ersten kann natürlich die
schwersten Folgen haben. Auch versteht der Regisseur manchmal besser
als der Autor, was des letztenen Vorteil ist. Der Vorleser hat diese
Entschuldigungen nicht für sich. Er hat einfach die Pflicht, die Dinge
so zu lesen, wie sie geschrieben sind. Ich will ihm noch etwas
zugestehen: findet er das betreffende Werk zu lang und ist der Autor
unerreichbar für ihn - zum Beispiel dadurch dass er gestorben ist oder
irgend einen anderen Ausflug in besondere Fernen gemacht hat,- so
mag er kürzen. Kann er aber den Autor finden, so überlasse er ihn
die Kürzungen und lege ihm mindestens die seinigen (die des Vor-
lesers) vor. Aenderungen sind absolut unstatthaft, wenn sie nicht vom
Autor selbst oder mit Zustimmungen des Autors gemacht sind, wobei noch
zu bedenken ist, dass auch gewisse Streichungen in ihrem Effekt nur
dem Sinne nach als Aenderungen zu gelten haben. Würdest Du beispiels-
weise, um etwas Naheliegendes zu citieren, den Schluss von 'Die Toten
schweigen" streichen, so würdest Du auch ändern.- Wohin käme man also,
wenn Deine Idee über die Souveränität des Vorlesers zu Recht bestände)
-In meiner Nov. die Du vorlesen willst bitte ich Dich zwei Lapsus' zu
corrigieren: auf der vierten Seite, Zeile 22 ist der Satz zu streichen:
"Die Scheiben klirren nur so stark weil der Sturm - " (der Wagen ist
nemlich offen, hat keine Scheiben, die aus einer früheren Fassung
stehen geblieben sind.)
Auf der 16. Seite, Zeile 14, steht einmal Wohnzimmerthür statt "Woh-
nungsthür".
Dass ich nicht dabei sein kann, wenn Du die Geschichte liest, bedaure
ich wirklich. Du wirst sie gewiss zu starker Wirkung bringen. Herz-
lichen Gruss.
Dein Arth Sch
Wien, 14.11.97.
Lieber Hermann,
Deine Ansicht betreffs dieser weitgehenden Rechte des Regisseurs
und des Vorlesers - nach Belieben zu streichen und zu ändern!- teile
ich durchaus nicht. In Hinsicht auf "Regisseur" und auf “Streichen“
könnte man ja manches zugeben.- Beim Theater handelt es sich nicht nur
um einen Abend und das Misslingen des ersten kann natürlich die
schwersten Folgen haben. Auch versteht der Regisseur manchmal besser
als der Autor, was des letztenen Vorteil ist. Der Vorleser hat diese
Entschuldigungen nicht für sich. Er hat einfach die Pflicht, die Dinge
so zu lesen, wie sie geschrieben sind. Ich will ihm noch etwas
zugestehen: findet er das betreffende Werk zu lang und ist der Autor
unerreichbar für ihn - zum Beispiel dadurch dass er gestorben ist oder
irgend einen anderen Ausflug in besondere Fernen gemacht hat,- so
mag er kürzen. Kann er aber den Autor finden, so überlasse er ihn
die Kürzungen und lege ihm mindestens die seinigen (die des Vor-
lesers) vor. Aenderungen sind absolut unstatthaft, wenn sie nicht vom
Autor selbst oder mit Zustimmungen des Autors gemacht sind, wobei noch
zu bedenken ist, dass auch gewisse Streichungen in ihrem Effekt nur
dem Sinne nach als Aenderungen zu gelten haben. Würdest Du beispiels-
weise, um etwas Naheliegendes zu citieren, den Schluss von 'Die Toten
schweigen" streichen, so würdest Du auch ändern.- Wohin käme man also,
wenn Deine Idee über die Souveränität des Vorlesers zu Recht bestände)
-In meiner Nov. die Du vorlesen willst bitte ich Dich zwei Lapsus' zu
corrigieren: auf der vierten Seite, Zeile 22 ist der Satz zu streichen:
"Die Scheiben klirren nur so stark weil der Sturm - " (der Wagen ist
nemlich offen, hat keine Scheiben, die aus einer früheren Fassung
stehen geblieben sind.)
Auf der 16. Seite, Zeile 14, steht einmal Wohnzimmerthür statt "Woh-
nungsthür".
Dass ich nicht dabei sein kann, wenn Du die Geschichte liest, bedaure
ich wirklich. Du wirst sie gewiss zu starker Wirkung bringen. Herz-
lichen Gruss.
Dein Arth Sch
Wien, 14.11.97.