Über das Projekt

Der Nachlass von Arthur Schnitzler (1862–1931) konnte 1938 durch die mutige Aktion des englischen Germanisten Eric A. Blackall vor dem Zugriff der Nationalsozialisten geschützt und in die Cambridge University Library gebracht werden. Nach 1945 wurde nur ein Teil davon an den Sohn und Alleinerben Heinrich Schnitzler zurückgegeben. Dieser Teil befindet sich heute im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar. Der Großteil des literarischen Werks und die Korrespondenzen mit den bedeutendsten Zeitgenossinnen und -zeitgenossen behielt sich die englische Universitätsbibliothek. In geringem Maße enthalten die Mikrofilme Texte, deren Originale seither verlustig gegangen sind. Das betrifft beispielsweise die Selbstkritik Schnitzlers über die eigenen Werke, die er anlässlich der Re-Lektüre in Vorbereitung der Gesammelten Werke von 1912 niederschrieb.

Um Heinrich Schnitzler Zugang zum Material zu gewähren, wurden in den folgenden Jahren Mikrofilme des Nachlasses hergestellt. Sie dokumentieren in nicht systematischer Folge (und nicht vollständig) die Mappen des Cambridger Bestandes und werden hier erstmals frei zugänglich gemacht.

Zur Ordnung innerhalb der Mappen ist anzumerken, dass viele Seiten nicht paginiert sind. Während durch die Benutzerinnen und Benutzer Umordnungen der Originale möglich sind, dokumentiert die Verfilmung die früheste überlieferte Ordnung. In Fällen, wo der Anschluss einer Manuskriptseite zum vorhergehenden Blatt nicht mit voller Gewissheit hergestellt werden kann, ist zumindest die Ordnung ein gewichtiges Indiz für den Zusammenhang.

Vier Kopien der Mikrofilme sind überliefert:

  • Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar wird das Exemplar Heinrich Schnitzlers aufbewahrt. Es ist durch die Benutzung so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass es heute nicht mehr konsultiert werden kann.
  • Ein Exemplar liegt im Arthur-Schnitzler-Archiv in Freiburg im Breisgau. Dieses war ein Geschenk Heinrich Schnitzlers und gab überhaupt erst Anlass zur Errichtung des Archivs. In Folge entstand ein gedrucktes Nachlassverzeichnis, das durchaus sinnvolle Umordnungen vornahm, zugleich aber für eine doppelte Abweichung von der Quelle sorgte: Schon in Cambridge waren die Originalmaterialien teilweise neu strukturiert und Mappeninhalte auf dem Mikrofilm dokumentiert worden, die verlustig gegangen waren. Die Freiburger Ordnung bedeutet eine zusätzliche Konfusion.
  • Ein weiteres Exemplar wird in Binghampton (New York) aufbewahrt. Heinrich Schnitzler hatte gehofft, den Nachlass dorthin transferieren zu können.
  • Das vierte Exemplar findet sich ebenfalls in den USA, an der University of California, Los Angeles (UCLA), dem zeitweiligen Arbeitsort Heinrich Schnitzlers. Dieses Exemplar wurde in den letzten Jahren in mehreren Etappen im Zuge der FWF-Projekte zur Korrespondenz Schnitzlers mit Hermann Bahr und anderen Autorinnen und Autoren digitalisiert und wird hier nun frei zugänglich gemacht.

In einem Zwischenschritt wurden alle Bilder auf Transkribus geladen, eine Plattform zur Handschriften- und Drucktexterkennung. Hier wurde eine automatische Texterkennung durchgeführt. Die Entzifferung von Schnitzlers Handschrift, die diesem selbst nachweislich Probleme machte, gelang dem Algorithmus – wenig überraschend – nicht. Auch sind die Schwarz-Weiß-Reproduktionen der Mikrofilme nicht durchwegs von guter Qualität und besonders schlecht, wenn Bleistift oder Buntstift gesichert werden sollte. Auf diesen Seiten produzierte die Erkennung schlichtweg Buchstabenmüll. Das präsentierte Korpus enthält allerdings große Mengen mit Schreibmaschine verfasster, gedruckter und von anderer Hand geschriebener Texte. Für diese ist die auf Typesense basierende Suche nun eine einfache Möglichkeit, Stellen zu finden.

Folgende Eingriffe wurden vorgenommen:

  • Die Bilder der Filme wurden in Ordner gruppiert, die den heutigen Mappennummern entsprechen. Besonders umfangreiche Konvolute wurden aufgeteilt. Dafür wurden zum Teil die Grenzen der Mikrofilme benutzt.
  • Wenn sich weitere Unterteilungskriterien anboten, wurden auch diese angewandt.
  • Da die Rechte an Schnitzlers Nachlass in Österreich längst abgelaufen sind, kann diese Reproduktion problemlos veröffentlicht werden. Das trifft jedoch nicht auf alle Briefpartnerinnen und -partner zu. Korrespondenzpartnerinnen und -partner, die zum Stichtag 1. Januar 2024 noch nicht rechtefrei waren, wurden zwar digitalisiert, werden aber nicht zugänglich gemacht. Das betrifft beispielsweise Richard Charmatz, Herbert Cysarz, Rudolf Holzer, Hermann Kesser, Max Krell, Jonas Lesser, Ernst Lothar, Franz Nabl und Fritz von Unruh.
  • Rund um die Mappe zu Frau Bertha Garlan dürften die Blätter vor oder während der Mikroverfilmung durcheinandergekommen sein. Diese Unordung wurde behoben. Die jeweiligen Digitalisate sind nun also den entsprechenden Werken zugeordnet. Die (Un-)Ordnung des Mikrofilms kann durch das Studium der Dateinamen ermittelt werden.

An allen Inhalten, die von uns auf dieser Seite zur Verfügung gestellt werden, machen wir kein urheberrechtliches Verwertungsrecht geltend. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Rechte Dritter für jede Form der Nachnutzung individuell zu klären sind.

Das Ziel ist nicht, die automatische Texterkennung manuell zu korrigieren. Für zentrale Werkmanuskripte der frühen Schaffenszeit liegen mit den seit 2011 erscheinenden gedruckten historisch-kritischen Ausgaben (herausgegeben von Konstanze Fliedl) verlässliche Umschriften vor. Die jüngsten Erscheinungen sind auch als PDF über OAPEN verfügbar. Spätere literarische Werke werden in Cambridge (von Judith Beniston und Andrew Webber) und Wuppertal (von Wolfgang Lukas und Michael Scheffel) ediert und sind auf der gemeinsamen Plattform Arthur Schnitzler digital zu finden. Hier sind die Digitalisate ebenfalls transkribiert und in Farbe einsehbar, wodurch dieser Teil der Mikroverfilmung obsolet ist. Ähnliches gilt für die Korrespondenzen mit Autorinnen und Autoren, die wir auf https://schnitzler-briefe.acdh.oeaw.ac.at präsentieren. Die Faksimiles wurden auch in diesem Fall von der Cambridge University Library neu und in Farbe erstellt.

Peter Andorfer, Martin Anton Müller und Laura Untner, Wien, Mai 2024