72)
Votre très
Wien, 24.6.906.
Lieber Hermann,
ich finde Deinen neuen Einakter sehr interessant-: Fesse
a1 k
zum letzten Vort, und halte (wenn es nicht zu einem
bei Bahren und Faunen nie wissen kann) auch eine starke Bühnenwirkung für
wahrscheinlich. (Deine drei Einakter müssten zusammen gegeben werden.. Fau-
zum Schluss, Narr zu Anfang, dass „Du kannst ja mitkommen“-, der Helmine an
Schluss bekäme dann seine besondere Bedeutung.) Man denkt natürlich so ein
Stück weiter, wie man wirkliche Erlebnisse weiter phantasiert und so habe
ich auch einen zweiten und dritten Akt gesehen, die man vorläufig nicht
wird spielen können. Der zweite Akt auf der stellen Bergwiese. Falls Du ihn
schreiben solltest, rate ich Dir, ihn nicht von Lessing inszenieren zu las-
den, der Orgien nur ein mässiges Verständnis entgegenbringt, was sich im
vierten Act der Beatrice jammervoll erwiesen. Dieser zweite Act, der ver-
schiedentlich geführt werden könnte, bekäme seinen ganzen Sinn natürlich
nur durch die vollendeste Rücksichtslosigkeit. Also Bedingung: Unaufführ-
bahrkeit. Daff Du für mich wenigstens wie ich das Stück weitergebracht habe)
Helmine die Heldin ist, brächte der dritte Ast den seelischen Untergang oder
Sieg der Helmine. Man wird zu irgendentwas wahrscheinlich nur reif,
eigentlich dazu geboren war. Man kann ein Faun sein -. Man kann aber kei-
Faun werden. Man kann ein Hexchen und eine Nympfe sein, aber mann kan es
nicht werden. Ich bin nicht klar darüber, ob Helmine das Recht auf die Welt
als
gebracht hat, auf die stelle Bergwiese zu wandern. Jedenfalls sie eher
Edgar, wie ja die Frauen überhaupt mit den Urelementen verwandter sind als
die Männer. Es wäre auch zu bedenken, ob Helmine nicht irgendwas, das man
nur aus seiner Natur heraus tun darf, par dépit tut - was vielleicht eine der
häufigsten tragischen Verschuldungen bedeutet. Eine andere eher komödische
Vesschuldung hinwiederrum: jemand denkt auf dem Wege der Höherentwicklung
irgendwohin gelangt zu sein - und ist nur atavistisch hingeraten. Auch auf
den steilen Bergwiesen tanzen zu meist Leute, die nicht hingehören. Dahin
ungefähr führte mich Dein faunisch-tiefsinnig-burleskes Stückchen, und so
möchte es wahrscheinlich damit enden, dass irgendwelcher nicht bergwiesen-
würdige Geschöpfe vom wahren Faun zu Tal geprügelt würden.
-Heute, den 25. mein lieber Hermann, reisen wir ab. Nach Berlin. (1,2 Tage)
Kopenhagen (3,4 Tage). Marienlyst. Ein paar Wochen. Dann, August vielleicht
noch irgendwohin an die Nordsee. (Nordwyk?) Lass uns jedenfalls in brieflich
ansichtskartlicher Verbindung bleiben.
Mit guten Sem### rwünschen und Grüssen von Olga und mir herzlichst der
Deine
Arthur
Das Manuskript ist an Salten abgesandt.
x Regisseur bei Brahm
Votre très
Wien, 24.6.906.
Lieber Hermann,
ich finde Deinen neuen Einakter sehr interessant-: Fesse
a1 k
zum letzten Vort, und halte (wenn es nicht zu einem
bei Bahren und Faunen nie wissen kann) auch eine starke Bühnenwirkung für
wahrscheinlich. (Deine drei Einakter müssten zusammen gegeben werden.. Fau-
zum Schluss, Narr zu Anfang, dass „Du kannst ja mitkommen“-, der Helmine an
Schluss bekäme dann seine besondere Bedeutung.) Man denkt natürlich so ein
Stück weiter, wie man wirkliche Erlebnisse weiter phantasiert und so habe
ich auch einen zweiten und dritten Akt gesehen, die man vorläufig nicht
wird spielen können. Der zweite Akt auf der stellen Bergwiese. Falls Du ihn
schreiben solltest, rate ich Dir, ihn nicht von Lessing inszenieren zu las-
den, der Orgien nur ein mässiges Verständnis entgegenbringt, was sich im
vierten Act der Beatrice jammervoll erwiesen. Dieser zweite Act, der ver-
schiedentlich geführt werden könnte, bekäme seinen ganzen Sinn natürlich
nur durch die vollendeste Rücksichtslosigkeit. Also Bedingung: Unaufführ-
bahrkeit. Daff Du für mich wenigstens wie ich das Stück weitergebracht habe)
Helmine die Heldin ist, brächte der dritte Ast den seelischen Untergang oder
Sieg der Helmine. Man wird zu irgendentwas wahrscheinlich nur reif,
eigentlich dazu geboren war. Man kann ein Faun sein -. Man kann aber kei-
Faun werden. Man kann ein Hexchen und eine Nympfe sein, aber mann kan es
nicht werden. Ich bin nicht klar darüber, ob Helmine das Recht auf die Welt
als
gebracht hat, auf die stelle Bergwiese zu wandern. Jedenfalls sie eher
Edgar, wie ja die Frauen überhaupt mit den Urelementen verwandter sind als
die Männer. Es wäre auch zu bedenken, ob Helmine nicht irgendwas, das man
nur aus seiner Natur heraus tun darf, par dépit tut - was vielleicht eine der
häufigsten tragischen Verschuldungen bedeutet. Eine andere eher komödische
Vesschuldung hinwiederrum: jemand denkt auf dem Wege der Höherentwicklung
irgendwohin gelangt zu sein - und ist nur atavistisch hingeraten. Auch auf
den steilen Bergwiesen tanzen zu meist Leute, die nicht hingehören. Dahin
ungefähr führte mich Dein faunisch-tiefsinnig-burleskes Stückchen, und so
möchte es wahrscheinlich damit enden, dass irgendwelcher nicht bergwiesen-
würdige Geschöpfe vom wahren Faun zu Tal geprügelt würden.
-Heute, den 25. mein lieber Hermann, reisen wir ab. Nach Berlin. (1,2 Tage)
Kopenhagen (3,4 Tage). Marienlyst. Ein paar Wochen. Dann, August vielleicht
noch irgendwohin an die Nordsee. (Nordwyk?) Lass uns jedenfalls in brieflich
ansichtskartlicher Verbindung bleiben.
Mit guten Sem### rwünschen und Grüssen von Olga und mir herzlichst der
Deine
Arthur
Das Manuskript ist an Salten abgesandt.
x Regisseur bei Brahm