B7: Beer, Theodor, Seite 6

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Derzeit Wien - Chefärztlicher
Theodor Beer
Dienst
esse: 28
Karma
XIII/4 Felbigergasse 97
Clarens
3 8bre 9
15. Jan. 1917
1º.0.1
Herrn Dr. Arthur Schnitzler
XVIII. Sternwartstrasse 71 Wien
Sehr geehrter Herr Doktor!
Ich habe nun die Lektüre des mir freundlichst über-
sandten Exemplares Ihrer "Komödie" - Professor Bernhardi - beendet
und möchte Ihnen gerne sagen, wie gut mir die Grund-Idee des ganzen
Werkes und sehr vieles im Einzelnen gefallen hat. Besondere den 5.
Akt finde ich ganz vorzüglich - elhisch, philosophisch und litera-
risch... Meine eigene "Affaire" ist erstaunlicher Weise in nuce
in Ihrer Komödie drin; ohne sie zu kennen, haben Sie mehr Verständ-
nis für meine Situation und mein Schicksal - vor allem in der grossen
Gesammt-Auffassung - gezeigt, als so manche Leute, denen ich lang-
mächtige Erklärungen gegeben habe oder deren Beruf es hätte sein müss-
en, das Recht zu " finden " oder mir, der ich in dieser Sache so gar
nicht geschickt war, zu helfen.
Es wird Sie vielleicht interessiren, dass auch in meinem
Fall eine Art Nachspiel fast geeignet ist, meine "Unschuld" an den
Tag zu bringen
Ich sende Ihnen mitfolgend die wortgetreue Abschrift eines
sse 'S
Dokumentes - Aerztlicher Befund act. - welches auf folgende Art zu
meines Kenntnis gelangte:
C.H.F.P.
liches.
Ich bin - wie Sie wissen - seit Mai 1916 im Chefärztlichen
Schl. Schögerin.
Dienst bei der Maroden-Visite Wien XIII/4 Felbigergasse 97 in der Nähe
des Reserve-Spitals Nr. 16. Ich arbeitete dort im Sommer und Herbst
votrai saa; ee
1916 in der Regel als eine Art Assistent des Herrn Oberarztes Dr. Brill;
neben diesem - an einem der vier Tische, an den anderen funktioniren
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drei andere Herren Militär-Aerzte - sass ich auch am 8. November 1916
Das Original des hier in Abschrift mitfolgenden Befundes reichte mir
um es ihm vorzulesen - wie öfter in solchen Fällen, da es nicht ganz
leicht leserlich geschrieben war - mein Vorgesetzter; als ich den
Befund las - ohne zunächst den Mann genau anzusehen - fiel mir die
Diagnose auf "Dementia praecox "; ich blickte auf--
sah den Namen Oskar und erkannte im nächsten Augen-
blick den Denuncianten, auf dessen törichte, erlogene Aussage hin
ich vor 12 Jahren war verurteilt, verfolgt, in meiner Existens ge-
stört, der liebsten Wesen war beraubt worden!
Ich hatte mich seit dem Process in keiner Weise um die Ent-
wirklung oder die Schicksale dieses Menschen gekümmert, wusste nichts