B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 21

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Wien, 10. Nov. 94.
Lieber und verehrter Freund,
ich beglückwünsche Sie vor allem zur Vollendung Ihres Stückes, das
schon während seines Entstehens die Mission erfüllt hat, welche bei
selbstfritischen Geistern wie bei Ihnen so schwer zu erfüllen ist:
Ihnen eine hohe und schöne Stimmung zu geben. Ich habe also wohl
ein Recht mich auf die Lectüre desselben aufs innigste zu freuen.
Es ist selbstverständlich, dass ich Ihnen in jeder Weise
und mit dem grössten Vergnügen zur Verfügung stehe. Ich habe auch
bereits an einen notar. Vertreter gedacht. Schick. Kennen Sie ihn?
Er hat vor Jahren intim mit Ludassy verkehrt; ich komme jetzt häu-
fig mit ihm zusammen und seine Verlässlichkeit ist ausser Zweifel.
Im übrigen braucht ja auch ihm gegenüber Ihr Name nicht genannt zu
werden.
Einiges wäre immerhin zu bedenken.
Nehmen wir den Fall an, die Direction entscheidet wich wirklich bin-
nen vier Wochen - wird sie dann, im Falle der Ablehnung - das Stück
auch an das andere Theater weiter befördern? - Dass es ihr ein
leichtes ist, wissen wir ja - es ist aber nicht zu vergessen, dass
es nichts nachlässigeres, rücksichtsloseres, schamloseres gibt als
Theaterdirectionen. Diese Nachlässigkeit, Rücksichtslosigkelt, Scham-
losigkeit steigert sich ins ungemessene, sobald sie es mit einem Un-
bekannten zu thun haben. Ich glaube also, dass man sich an eine Be-
förderung des Stückes von Theater zu Theater kaum recht verlassen
kann. Ausserdem kommt in Betracht, dass die Vergangenheit eines
Stückes auch eine Art Nordauscher Kugel ist - d. h. das Neue Theater
z.B. kann erstens "geknankt" sein, dass es später als die andern
berücksichtigt wird und kann zugleich ein Vorurtheil gegen das