B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 60

-57-
Wien, 15.11.1900.
38
Lieber Doctor Herzl,
ich habe eine Erzählung geschrieben, die ich Ihrem freundlichen
Wunsche entsprechend, gern für die Weihnachtsnummer hergäbe. Nur
ist sie etwas lang gerathen, etwa 9 Längspalten (1½ Bogen). Anderer-
seits lässt sie sich aber gar nicht theilen, und so wäre vielleicht
gerade die Weihnachtsbeilage der N.Fr.Pr. die richtige Stelle für
sie. Bitte sagen Sie mir, ob ich Ihnen die Geschichte senden darf.
Noch eins bei dieser Gelegenheit. Durch Beer-Hofmann habe
ich erfahren, dass Sie sich heuer in Aussee durch eine gewiss nicht
sehr geistreiche, aber eben so gewiss nicht bös gemeinte Bemerkung
von mir verstimmt oder gar verletzt gefühlt haben. Das thut mir
sehr leid. Alle äusseren Entfremdungen und Misverständnisse, die
im Lauf der Jahre zwischen uns vorgekommen sind und nach der Natur
der Dinge und unseren Naturen wahrscheinlich vorkommen mussten, ha-
ben meiner aufrichtigen und in vieler Beziehung sehr herzlichen
Verehrung für Sie nichts angehabt. Ich konnte nicht denken, dass
Sie einen Scherz übel nehmen wollen, dem auch die leiseste Spur
einer kränkenden Absicht fehlte. Da Sie das wunderlicher Weise
nicht selbst fühlen, muss ich es heute sagen; denn es wäre beinah
leichtfertig, eine Unklarheit, die so leicht aus dem Wege zu räumen
ist, zwischen uns zu belassen.
Ich drücke Ihnen die Hand und bin
Ihr herzlich ergebener
Arthur Schnitzler.