B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 63

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(28.I)
Wien, 22.12.1900.
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Lieber Freund,
ich habe Ihnen den Lieutenant Gustl auf Ihren Wunsch vor etwa 6
Wochen für die Weihnachtsbeilage geschickt; habe damals und noch
später ausdrücklich betont, dass eine Theilung der Hovelle aus künst-
lerischen Gründen unthunlich, dass ich aber gern zu Kürzungen bereit
sei. Ich selbst machte Sie auf die Länge der Hovelle aufmerksam
und Sie, lieber Doctor hatten Gelegenheit, 6 Wochen lang Gelegeneheit,
über die Möglichkeit der Unterbringung in der Weihnachtsbeilage
klar und schlüssig zu werden. Und heute, am 22. Dez., zwei Tage vor
Weihnachten, nachdem ich genöthigt war,Anträge anderer Zeitungen
zurückzuweisen, kommen Sie mit der Mittheilung, dass die Novelle
für die Weihnachtsbeilage zu lang sei, stellen mir in Aussicht, meine
Novelle in Fortsetzungen erscheinen zu lassen und Sie sprechen nun
von Raumrücksichten, auf die ich Sie längst aufmerksam gemacht, was
Sie mit den Worten zurückwiesen, das sei Ihre Sorge! Mein lieber
Freund, das kann nicht Ihr Ernst sein. Ich glaube sogar annehmen
zu dürfen, dass nicht Sie es sind, der sich mir gegenüber diesen ver-
blüffenden Mangel an Rücksicht zu Schulden kommen lässt. Denn es
ist ganz selbstverständlich, dass in dem vorliegenden Fall die
Neue Freie Presse verpflichtet wäre, um die Vereinbarung gegen mich
zu erfüllen, die sie auf eigene lnitiative,auf eigenen Wunsch, trotz
der von mir selbst vorgebrachten Bedenken, eingegangen ist, die Raum-
schwierigkeiten durch Einfügen eines oder mehrerer Blätter mehr
zu besiegen. Soweit ich in Betracht komme, gestatte ich aus den von
Innen gekannten und stillschweigend gewürdigten künstlerischen Grün-
den den Abdruck der Hovelle "Lieutenant Gustl" in Fortsetzung,unter