B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 65

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Wien, 24.12.1900.
Lieber Doctor Herzl, miverstehen wir einander doch nicht. Von einer
unfreundlichen Absicht hab ich kein Wort gesprochen, noch hao ich
eine im entferntesten vermuthet; ich sprach nur von einem Mangel
an Rücksicht, und Sie werden mir bei näherer Ueberlegung zugestehen
müssen, dass ich dazu alle Berechtigung hatte. Oder wie möchten Sie
es bezeichnen, wenn man einen Autor 6 oder 7 Wochen vor Weihnachten
um einen Beitrag für die Weihnachtsnummer ersucht, der Autor ihn
einsendet, auf die Länge aufmerksam macht, sich zu Kürzungen bereit
erklärt, die Antwort erhält, der Beitrag sei angenommen, die Raum-
schwierigkeiten zu beheben sei Sache des Blattes; wenn der Autor
endlich die correctur erhält, bei Rücksendung der Correctur neuer-
dings und unaufgefordert seine Bereitwilligkeit zu Kürzungen er-
klärt und endlich ein paar Tage vor Weihnachten die Mittheilung
erhält - der Beitrag könne in der Nummer für die er bestimmt war-
wegen Raumschwierigkeiten nicht erscheinen! - Bedenken Sie noch
weiters, dass der Autor einer andern Zeitung diese Hovelle für den
Fall dass die N.Fr.Pr. sie wegen ihrer Länge nicht in der Weihnachts-
nummer bringen könnte, zugesagt hätte? - Ich glaube wahrhaftig Sie
haben keine Ursache sich zu wundern, dass ich Ihre Mittheilung mit
einigem Unmuth aufgenommen habe. Dass es ausschliesslich Erwägungen
künstlerischer Natur sind, die mir eine Theilung der Novelle unthun-
lich erscheinen lassen, brauche ich Ihnen, der sie kennt, nicht wie-
derholt zu versichern. Dass die Neue Freie Presse nun bei einer
andern Gelegenheit der Hovelle zu Liebe eine Beilage erscheinen.
lässt, verlange ich nicht und wünsche ich leht und nehme ich in
keinem Falle an. Bemühen Sie sich nicht weiter in meiner Angelegen-