B43: Hofmannsthal, Hugo von_1 an HvH, Abschrift, Seite 68

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Gelegenheit); Padua, Vicenza, Verona, Mailand. Luini, an dem
ich (rein körperlich gemeint) vor Jahren vorbeigegan-
gen war, ging mir wundervoll auf.-
Von "geordneter" Arbeit wäre nichts mitzuteilen. Zumeist
beschäftigte mich das sonderbare, oft begonnene, eininge
Mal beendet, jedes Mal hingeworfene Junggesellen,-
Egoistenstück; Sie wissen, dass es zuletzt als Missge-
burt zur Welt kam, siamesisch gezwillingt. Nun scheint
der operative Eingriff, der mit Vorsicht unternommen
werden musste, gelungen- d.h. beide Geschöpfe leben, das
eine schwächlich, das andere mit höherer Vitalkraft be-
gnadet, aber xx ob sie endgültig gedeihen werden, ist
noch nicht zu sagen. Das eine Kind wird eben aufge-
päppelt.
- Am Roman geschah nichts weiteres; über eine lustspiel-
artige moderne Komödie wurde meditiert. Im ganzen mehr
Kunst-und Gedankenspiel als Schaffensintensität.-
Mit grossem Vergnügen las ich die "mousquetaires" von Du-
mas auf der Reise. Welche Leichtigkeit, welcher Reich-
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tum! Einiger Leichtsinn verzeiht sich von selbst; und
die paar falschen Münzen wirken, als machte sich ein
Kind einen Spass sie statt echten, die doch da sind,
auszustreuen.-
-Bahr hat mir von Ihren letzten Plänen erzählt,
Richard, der gestern mit Paula und Mirjam bei mir war,
desgleichen. Ich wünschte bald zu hören, wie weit Sie
gediehen sind. Die deutschen Schall und Raucher sah
ich vorgestern, Erdgeist, das Talent,das grosse Wede-
kind'sche blitzt meines Erachtens nur selten auf.
Vielleicht ernsthaft nur in der Figur des Dr. Schön
(der einzigen, die wirklich vollendet gespielt wurde)
(Reicher). Das unerträgliche aber an dem Stück ist mir,
dass der Humor darin, der sich so satanisch gebärdet,
nicht viel teuflischer ist als ein weitgereister
Commis als Mephisto auf einem Maskenball, -der mit
dämonischen Weibern Champagner zu trinken vermeint-
während es sich um Kochinnen und Kleinoscheg handelt.
Im ganzen lieb ich Dichter nicht, die ihren Nachlass