B52: Körner, Josef, Seite 38

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PRAG XIX., Na hutich 661.
PROF. Dr. JÖSEF KÖRNER
darum war ein Mißverständnis, wie es mir aus Ihrem Brief entgegentrat,
von meiner Seite aus gar nicht zu besorgen.
Was Sie über die rein menschliche Beziehung zwischen Ihnen und
mir zu äußern die große Güte haben, ehrt und rührt mich zugleich; und
läßt mich leicht hinwegkommen über gewisse Stellen dieses wie Ihren vo-
rigen Briefes, aus denen eine gewisse Bitterkeit und fast verletzende
Ironie aufsteigt; jedenfalls glaube ich dergleichen nicht zu verdienen.
Es mag ja sein, daß ich hier und dort in dem Aufsätzchen zu unscharf
formuliert und mit zu knappen Worten bald zu wenig, bald zu viel gesagt
habe. Ueber den Pessimismus Ihres Werks könnte man natürlich nur in aus-
führlicher Abhandlung das Richtige, d.h. ungemein Verwickelte und Trans-
parente erfassen. Ob, wie Sie andeuten, der tiefere Sinn des Lebens erst
jenseits der Nahrungssorgen anhebt oder nicht (Sie dürften sich da Obri-
gens aus Schopenhauer berufen), stand ja gar nicht in Frage. Es war nur
motivgeschichtlich festzustellen, daß Davids Schrifttum innerhalb dieser
Lebenssorgen, das Ihrige aber außerhalb sich hinbreitet; was daran par-
teimäßig klingen soll, ist mir unerfindlich.
Wollen Sie es, ich bitte darum, nicht übel nehmen, wenn ich auf
Ihre Einwände gegen meine stilkritische Bemerkung nur erwidern kann, daß
Sie meinen Einwand offenbar gar nicht verstehen. Eigene Sprache kann (ich
muß leider wieder etwas theoretisch und dogmatisch werden) eine dreifa-
che Wurzel haben: ein besonderes Vokabular, eigentümlichen Satzbau, einen
unverwechselbaren Numerus (Satzmelodie, Satzrhythmus). Ich finde in Ihrer
Prosa (die ich den Versen durchaus überlegen erachte) nur etwas von der
dritten Wurzel; und das hat wohl seine guten soziologischen Gründe.
Selbstredend hat diese Beurteilung des spezifisch Sprachlichen
nichts mit der Komposition und Architektur Ihrer erzählenden Schriften zu
tun und so könnten mich die von Ihnen angeführten Lobpreisungen Ihres
Prosaspätwerks auch dann nicht in meinem Urteil erschüttern, wenn sie
von einem erlauchteren Geiste herstammten als dem meinigen. Eine Ausnah-
me mache ich freilich und dürften Sie schon in ältern Briefen finden, näm-
lich bezüglich der „Therese“; über die ich ja Ihnen und der Oeffentlichkeit
und vor allem mir selbst leider immer noch einige Rechenschaftsablegung
schulde
Ich hoffe, - darf ich es? - daß hiemit unser Briefwechsel, wenn
schon nicht zu sachlicher Befriedigung, so doch zu persönlicherBefrie-
dung gelangt sein wird. Ich will zum Schluß nicht verschweigen, daß mir