B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 108

11.3.1900.
ter Kenntnisnahme (allerdings mehr gef sselt als er-
wärmt) uid der spannende Aufbau, die geschickte Führung
und der Geist, der aus dem Ganzen und dem Einzelnen
spricht, werden auf dem The x er ihre Wirkung nicht ver-
fehlen. Ob die stilisierte Anatolhaftigkeit des Dich-
ters dem Publikum verständlich und sympathisch sein
wird,ob die Liebe des Herzogs zu ihm überzeugend ist-
diese Fragen möchte ich nicht ohne Fragezeichen las-
sen; und die Beatrice, scheint mir (jetzt wie im Hünf)
verliert im Verlauf die charakteristische Haltung um
etwas, zum Schaden des Interesses.
Doch Sie wollen von mir nicht Kritik, sondern einen
praktischen Rath. Wenn Sie sich nicht zur Sorma im
Lessing-Th. entschliessen können, bleibt wohl das Schau-
spielhaus das nächste, obgleich der genus loci mit der
Sittenfreiheit dieser Dichtung stets hadern wird; die
beiden Männer können gewiss dort am besten gespielt
werden. Fulda, den ich Ihnen in wien als Einreicher
,.,... —..
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nannte, ist wie es scheint jetzt etwas verstimmt gegen
die Leute, doch eine Anfrage bei ihm (er ist im Sara -
torium Martinsbrunny bei Meran) kann ja nichts scha-
den; sonst wäre wohl das Einfachste, Sie liessen das
Stück durch Entsch einreichen - falls Sie nicht vorzi e-
hen, es erst nach der wiener Aufführung für Berlin
fortzugeben,da grade für dieses Werk unsere liebe Re-
sidenz mir ein etwas steiniger Boden zu sein scheint.
Wir rüsten schon langs am für Wien und ich freue mich
eine gute Zeit dort mir Ihnen zu verleben! „Freiwild'
bleibt auf unserem Programm, vielleicht auch der „Kaka-
du". Am 31. denke ich Dreyers „Winter schlaf“ zum ersten
male zu geben und möchte „Paracelsus“ als Schlussstück
anhängen: bitte auch hiefür um Ihren segen.
Herzlich grüssend