B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 218

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Berlin, 22.4.1906.
Lieber Freund,
der Julian des Herrn R. ist freilich übel ausgefallen,
und ich wollte, man könnte den andern R. dafür zurückge-
winnen: leider sehe ich dazu fast gar keine Möglichkeit,
da ich mit diesem, aus den bekannten Gründen, auf sehr
unfreundlichem Fusse bin, und ihm ausserdem früher schon
zugesagt habe, er solle von der ihm unbequemen Rolle
befreit bleiben. Eine andere Besetzung sehe ich auch
nich t; denn Hr.Patry, der sich für die Rolle interes-
siert, wird Ihnen so wenig wie mir als ein Vorzuziehen-
der erscheinen - ganz abgesehen davon, dass wir keine
Zeit hätten zu ordentlichen Proben. Wir beginnen nämlich,
auf Grund soeben getroffener Abrede, am 4.Mai und haben
nun alle Hände voll zu thun, um einen höchst complicirten
Probenplan durchzuführen. So scheint mir das Raisonna-
belste, den Indian des R., der übrigens auch bessere und
feinere Momente hat, und den nur ein in Extravaganzen
und Salten-Mortale geübter Competenter unerträglich und
22.4.1906
höchst gefahrvoll finden wird - es scheint mir, dass wir
versuchen müssen, den R. besser zu machen. Ich werde also
zunächst mit ihm eine gründliche Rücksprache nehmen
(und ihn vermutlich jetzt zugänglich er finden, als auf den
Proben) ihn dann nochmals ansehen und eventuell in Wien
neue Proben für ihn ansetzen, denen sie beiwohnen könn-
ten. Ein Commern Julian wird er freilich kaum werden -
aber gibt es den? Sonnenthal vor 20 Jahren; wenn er
nämlich die Rolle nicht zurückgewiesen hätte!
Der Suppenspieler wird schon geprobt,und wird also
am 4.Mai unser erstes Wort sein: ich erwarte Sie Beide
in meiner Loge. - Frau Lehmann bleibt noch hier, kann
deshalb nicht für Anna beigestellt werden,gegen die sie
sich auch sicher sträuben würde, wie schon bei der 1.Auf-
führung. Ich habe nach nochmaliger Erwägung Fr.Pauli
gewählt, da mir die U.doch zu dürftig erschien, auch zu
mädchenhaft, während die P. einen angenehmen Hausfrauen-