B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 241

1. J 7.
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Berlin, 27.3.1908.
Lieber Freund,
zwei Zeilen in Eile, nebst schönem Dank für Ihren lie-
ben, ausführlichen und ulkigen Brief.
Ich kann, wie es scheint, nur das Raimund-
Theater für dieses Jahr bekommen. Würden Sie da sagen:
lieber nein? Oder rathen Sie mir, wie Harden und Hut -
ten, es zu wagen? Und würden Sie den „Ruf“, wenn Sie
ihn überhaupt gegen wollten, auch nach Mariahilf geben?
Bitte telegraphiren Sie mir 10 Worte.
Herzlichst
O.B.
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Berlin, 9.4.1908.
Lieber Freund,
ich danke vielmals für das ausführliche Telegramm
und den „Ruf“. Meine Neigung zum Raimund blieb gemäs-
sigt; und jetzt schreibt mir auch der Herbergsvater
der „blauen Maus“, das Thierlein stelle sich so munter
an, dass er es im Mai in Wien weiter hüpfen lassen
will; ich muss also wohl unsere diesjährige Gastspiel-
idse endgiltig einsargen. Ueber den „Ruf“ will ich da-
her nur so viel sagen: wenn sie den neuen Schluss
des II.Aktes im dritten erzählen liessen, würde der
sonst gar nichts Stofflich-neue (von der Marien-Seite)
enthaltende Anfang nur gewinnen; während in der Leute-
nantsstube, nach dem Knall und Fall der Obersten-Fami-
lie, ein schnelles Ende mir nach wie vor wünschens-
wert erscheint: für ein langes Gespräch ist angesichts
der Leiche kein Raum, die neue Wandung in der Psycholo-
gie des Leutenants, so fein sie an sich ist, wiegt für
mich den Nachtheil des verzögerten Schlusses nicht