B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 315

Wien. 25. f. 96.
Verehrtester Herr Direktor, vielen Dank für Ihre so
freundlichen Zeilen. Sie werden sich nicht wenig wun-
dern, plötzlich, als herbe Erwiderung, ein Stück in Ver-
sen eingesandt zu erhalten. Bitte sehr, betrachten Sie
es nicht als „eingereicht“. Ich weiss heute selbst
nicht recht, ob es überhaupt möglich ist. Es wäre an
Burgtheater „beinahe“ aufgeführt worden, und in Bres-
lau, beinahe wirklich“. Manche Leute finden es hübsch,
einige sogar aufführbar. Für den Fall, dass Sie sich
letzteren anschliessen, habe ich mir gedacht, dass Sie
es gelegentlich zur Liebelei dazugeben könnten. Ich
hätte Ihnen wohl schon in Berlin davon gesprochen.
wenn ich nur daran gedächt hätte. Nun bin ich durch
einen Freund wieder daran erinnert und auf die Idee
gebracht worden es Ihnen zu schicken. Sie wie sen al-
so wer gegebenenfalls zu verfluchen ist: der Freund.
Des wird mir minder schmerzlich sein. Da die Sache
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sechs Jahre alt ist, werde ich Ihren voraussichtlichen
Refus mit lächelnder Würde ertragen. Die Viertelstunde,
die ich Ihrem Leben raube, nehme ich auf mich. Ich ver-
mute, dass Sie hundert Jahre alt werden, dann ist dieses
Stück eine Viertelstunde wert. Können Sie es nicht
brauchen, so senden Sie es mir gütigst zurück. Es ist
das letzte Exemplar von hundert - denn es gibt manche
gute Menschen, die sich dramatische Gedichte schenken
lassen und noch mehr böse Theaterdirektoren, die einem
dramatische Gedichte nicht zurückschicken. Sie aber
sind weder ein so guter Mensch noch ein, so böser Thea-
terdirektor.- Meine von Ihnen so heftig bezweifelte
Praxis lässt mir mehr Zeit zum Schreiben (Pose - ich
meine eigentlich „Dichten“), als ich darauf verwende.
Trotzdem hoffe ich im Frühjahr fertig zu sein. Was
war das für eine schöne Zeit, da ich auf keine andere
literarische Vergangenheit zurückzuschauen hatte als