B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 348

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Wien, 17.3.1900.
Lieber Herr Brahm, schon von Georg Hirschfeld hatte ich
gehört, dass es Ihnen eine Weile nicht ganz gut gegangen
ist, aber auch abgesehen davon hätte ich Sie nie für
„Sie wissen nicht was“ gehalten. Die Beatrice ist ja
vorläufig gar nicht aktuell,was praktische Ziele an-
langt;und Ihren Eindruck haben Sie mir ja schon s.Z.
angedeutet, Schlenther will das Stück anfangs nächster
Saison bringen, stellt die „Bedingung“, dass die Burg
die Allererstaufführung hat,-lässt aber vorläufig in
Hinsicht auf einen von mir gewünschten Termin nichts
verlauten. Ich denke erst nach der hiesigen Aufführung
in Berlin etwas zu unternelmen.-
Eine Novelle, an der ich seit Beginn dieses Jahres
schreibe, längelt und schlänselt sich. Ob ich mich dann
gleich wieder ins dramatische begebe, weiss ich nicht.
Hingegen möchte ich Ende dieses Monats auf zehn Tage
in einen mässigen Süden,Ragusa und auch Abbazia, zu
Hirschfeld.
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(17.3.1900.)
Ich freie mich sehr auf den Mai und auf Sie. Dass Sie
das Freiwild geben, ist mir höchst angenehm. Den Segen
für Paracelsus haben Sie natürlich gleichfalls,gegen
eine Tantième von 3 Perzent. (Wir hatten s.Z. in unse-
rem Contract die Trennung der Einakter nicht gedacht.)
-Dass Hofmannsthal in Paris ist, wissen Sie wahrschein-
lich. Ich habe aber seitdem er weg ist keine Nachricht
von ihm. -Den ganzen winter hab ich in einer ziemlich
trüben Stimmung verb recht, aus der nur gelegentlich
die Arbeit mich herausreissen konnte; trotzdem habe ich
vielleicht stärker als je eine gewisse Empfindung inne-
rer Fülle gehabt. Es muss sich ja in der nächsten Zeit
zeigen, ob das Selbsttäuschungen, vielleicht nur krank-
hafte Wallungen der Seele waren.-
Leben Sie wohl und seien Sie herzlich gegrüsst
A.S.