B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 355

Votre très jusqu'au mieux.
28 Wien, 16.2.1902.
Lieber Herr Brahm, ich schweige wie ein Ehrengrab über
Ihren Abschluss mit dem Carltheater und nehme Ihre Ab-
sicht, am 15.Mai mit den Leb.St. zu beginnen, als ein
Angebinde zu meinem an diesem Tag fälligen vierzigsten
So wie ich Ihnen zu Ihrem 40. in Berlin die Liebelei
verehrt habe. Ich hoffe wir beschenken einander noch
manches Mal.
Natürlich hab ich Bassermann geschrieben. Vielleicht
hat er den Brief nicht lesen können. Fragen Sie ihn
doch. Und wie verhält es sich nun mit Hahn? Diese bei-
den Dinge erscheinen mir für Wien äusserst wichtig:
kein Hahn und ein bestimmter Bassermann. Und überlegen
Sie nochmals: Bassermann Lionardo.- Sie wie sen, dch bin
nicht so dumm! -
Wie lange werden Sie in Wien voraussichtlich spielen?
Ferner: Haben Sie meinen Brief über Schönherrs „Sonn-
wendtag“ erhalten? Ich finde Sie könnten das Stück vor-
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1.
(16.2.02.)
züglich besetzen und würden einige Ehre aufheben. Ich
weiss nicht, ob Ihnen der Autor (den ich nicht kenne)
das Stück eingereicht hat; aber ich kann mir nicht den-
ken, dass er es einer andern Berl. Bühne gegeben hat.
-Es thut mir natürlich sehr leid, dass ich nun wieder
nicht zu meinen Kakadu komme (umso leider, als ich mit
dem Volkstheater nich von neuem anbandeln kann,- mit
denjenigen meiner Stücke, die ich an meisten schätze,
hab ich kein Glück. Hoffentlich kommen Sie wenigstens
in Berlin dazu.
Denken Sie ich kann mich nicht zu dem Entschluss auf-
raffen, das Sudermannsche Stück anzusehn. Sie entschul-
digen doch. Auch dass ich mich über die neueste Schlen-
therei - in Sachen Hirschfeld - nicht wunder,werden
Sie entschuldigen. Auf diese Mühle brauchts kein neues
Wasser. Dieses Charakterbild schwankt für mich bereits
seit geraumer Zeit nicht mehr.