B91a: Burgtheater _ Der junge Medardus, Seite 68

Wien, 3. November 1909.
Sehr geehrter Herr Doktor,
Schon durch Georg Hirschfeld hatte ich davon gehört, dass Sie den
"Jungen Medardus" einem literarischen Kreise vorlesen wollten und
mir gleich ein günstiges Resultat davon versprochen. Ich begrüsse es
als grossen Vorteil, dass Sie auf die Bastei-Szene ganz verzichten
möchten und hielte es für sehr wünschenswert,wenn Sie auf diesem nun
eingeschlagenen guten Wege noch weiter gingen und auch noch einige
andere Szenen, namentlich gegen das Ende des Stückes hin, radikal
streichen wollten. Denn von den Kürzungen innerhalb der Szene, Wie
Sie sie bisher vorgenommen haben, verspreche ich mir keinen Nutzen,
weil die Diskrepanz zwischen den zu kurzen Szenen und den Zu langen
Pausen dadurch immer grösser wird. Nur auf dem jetzt von Ihnen gewähl-
ten Wege dürfte das Stück bühnenmöglich werden und die ausgezeichnete
Schlussszene, über der historische Grösse liegt und die mir des Pudels
Kern zu sein scheint, würde auf ein unermüdetes Publikum stossen.
Das mir freundlichst zur Verfügung gestellte Exemplar in Fahnen sende
ich Ihnen anbei lediglich zu dem Zwecke, damit Sie die neuen Aenderun-
gen und vor allem Streichungen eintragen, weil ich das Stück jetzt
gerne in einem Zugge möglichst befreit von allen Entbehrlichkeiten
geniessen möchte.
Mit vorzüglicher Hochachtung
ganz ergebenst
V. Sollung
Herrn Dr. Arthur Schnitzler
wien.