B121: Fischer, Salomo_SF an Arthur Schnitzler 1888-1914 Originale, Seite 572

Über die im Mai dieses Jahres erschienene
erste Abteilung der Gesammelten Werke
DIE FRZÄHLENDEN SCHRIFTEN be¬
richtet die unten folgende Besprechung. Legen
Sie den Käufern der ersten Abteilung auch
die zweite, DIE THEATERSTÜCKE, vor.
Im Gesamtwerk der „Erzählenden Schriften“, die
jetzt erschienen sind, ist Band an Band alles auf-
gereiht, woran sich Schnitzler mit seinem Können
seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchte: die leichte,
spielend hingeworfene, zum Schluß scharf pointierte
Novellette, deren Art und Meisterschaft an Mau-
passant erinnert, die psychologische Studie, deren
unerbittliche Beobachtung an die besten Russen
denken läßt, und der breite, vielgeschlungene Ro-
man endlich, der ohne jede literarische Erinnerung
Schnitzlers den Weg zur vollen dichterischen Fein¬
heit, zur edelsten künstlerischen Überlegenheit wies.
Schnitzlers Kraft kommt hinzu, um die Figuren über
das Lokale weit emporzuheben. Es ist nur ein be¬
stimmtes, national angefärbtes Gewand, in dem seine
Menschen einherschreiten. Ihren Inhalt trägt der
Dichter kühn ins Unendliche hinauf, das alle bindet,
alle angeht. Er hat zwei Melodien, die nord- und
südwärts von Wien nicht anders klingen als an der
Donau, zwei Melodien, die überall locken und be¬
tören, wenn nur ein Künstler sie anschlägt: die
Lieder von der Liebe und vom Tode.... Und
zwischen beiden tobt das Leben seine Abenteuer
Leipziger Neueste Nachrichten
aus.
S. FISCHER, VerLAG, BERLIN