B121: Fischer, Salomo_SF an Arthur Schnitzler 1915-1930 Originale, Seite 1066

II.
läufigen Namen der Heldin spielt sich ein zwangemässig alltägliches
Geschick einer nicht sonderlich begabten, in naiver Selbstverständlich
keit aufblühenden, liebespendenden und liebehungrigen Seele ab.Be
von jugendlichem Ueberschwang, verraten von kaltherziger Sinnlichkeit,
ausgenntst von selbstherrlicher Ueberlegenheit, hierhin und dorthin ge-
stossen, gleitet sie halb unbewusst tiefer von Stufe zu Stufo,von Nie-
mand in Grunde erkannt, weil sie zu deuten und zu verstehen ja kein
Rätselanlass ist und nichts auch nur entfernt an ein Problem erinnert.
Arme, gehetste, verlassene Frau, in Angst um ihr illegitimes Kind bin u.
her schwirrend, in Arbeit und Sorge um den ungerstenen Jungen sich auf-
reibend und doch nie ganz sich dort geborgen fühlend, wo ihre Bestimmung
und Berufung liegt. So hat ihr das Leben, dieses ganz abscheulich gross-
ische, flache Dasein der Gewöhnlichen und ganz und gar Aufrichtigenge-
rade da einen hässlichen Streich gespielt, wo sie sich heben konnte und
zu sich selbst gelangt wäre, wenn der Mann, dem sie sich hingab, ausser-
halb des Lichtkegels ihrer guten Gläubigkeit nicht ein so jämmerlicher
Lump gewesen wäre. Zu lebendig, sich mit solcher Schau des Ekels zu be-
scheiden und sich tief in sich vor allem zu verschliessen, zu jung zu
menschlich, einen Strich zu machen unter ihr Erlebnis, abzuschliessen und
mit sich fertig zu werden, blüht sie sich weiter aus in Sehnsucht nach
ein bisschen Gegenseitigkeit und welkt dahin, weil niemand auf der wei-
ten Welt sich findet, der sie halten möchte.
Aus dieser Monotonie eines unaufhaltsam abwärts rinnen-
den Lebens, diesen ständigen Stellenwechsels einer ewig Bediensteten,
klagt die tiefe Schwermut eines Dichters, dessen untrüglichen Blick für
das Unschte sich das ganze flimmernde Getriebe menschlicher Beziehungen
in Komik und Elend entschleiert und der, ein strenger Chronist, die Rü-
chung der letztlich schuldlosen Sünde einer schwachen Frau als schänd-
liches Verbrechen ihres Sohnes brandmarkt.
Der Sohn mordet die Mutter.