A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 102

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Hugo. Du hättest ihn nicht mitgehen lassen sollen
Schau, ich hab' Dich so gebeten. Die Buben sind zu wild
Er verträgt das Herumhetzen nicht... (Zu Betty.) Siehst Du,
Mama, wie sie ist. Sie ist wirklich noch wie ein Kind. Man
kann sich so garnicht — da läßt sie den Kleinen —
Toni (hat nicht verstanden). Was denn? (Auch zu den anderen
gewandt.)
Hugo. Bring' ihn gleich.
Toni. Laß mich doch bei Dir. Ich darf doch hei ihm
bleiben? —
Hugo. Du wirst immer hier bleiben. — Man wird
Dich hier halten, als wärst Du meine Frau gewesen — ver-
laß Dich drauf... (Zu seiner Mutter gewendet.) Sie ist mir so¬
viel gewesen, sie ist mir mehr gewesein, glaub' mir Papa".
Toni. Um Gotteswillen, Hugo! Was sprichst Du denn?
Hugo. Aber es muß in Ordnung kommen, bevor.
Sie haben mir's schon versprochen, Toni, aber ich muß Euch
da sehen.. da. — Und ich will den Buben noch einmal,
ja meinen Buben will ich noch einmal küssen, bevor — Geh,
geh, geh!
Toni (auf ihn gebeugt). Hugo -
Franziska. Bitte, Fräulein, gehen Sie schnell, damit
Sie... damit Sie... (führt sie fort, beinahe schluchzend.).. damit
Sie ihn noch finden!
Toni (rasch, hastig ab).
15. Auftritt.
Hugo (völlig bewußtlos). Betty (neben ihm). Franziska (kehrt zum
Divan zurück). Adolf (hastig hin und her). (Gleich darauf) Lulu. (Ein
wenig später) Doctor Ferdinand Schmidt.
Lulu (stürzt herein).
Betty. Pst! pst!
Lulu. Was ist denn?
Adolf. Es ist unverantwortlich, daß Ihr nach keinem
Professor geschickt habt. Grubner wäre gleich gekommen; hättet
Ihr ihm einfach sagen lassen: Professor Losatti läßt ihn
bitten.
Franziska. Da ist Doctor Ferdinand.
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Ferdinand (tritt rasch ein, streift den Handschuh ab, legt den Hut
auf den Schreibtisch). Nun, was ist den eigentlich geschehen? (Rasch
zum Divan hin.)
Adolf. Gott sei Dank, lieber Doctor, daß Sie
Ferdinand (hält den Puls). Vor allem bitte ich um Ruhe..
Es wäre überhaupt wünschenswerth, wenn nicht so viele...
Lulu, geh hinaus, Dich können wir durchaus nicht brauchen.
Betty (winkt Lulu zu gehen).
Franziska. Nun?
Hugo Hörst Du, Hugo!
Ferdinand. Hm —
Reagut nicht.
Betty. Noch vor einer Minute war er bei Bewußtsein.
Adolf. Ja — ganz klar — und seitdem diese Person
da war
Ferdinand. Wer war da?
Adolf. Ein Frauenzimmer.
Betty." Seine Geliebte.
Ferdinand. Das ist aber doch eigentlich unerhört.
Ja, warum hat man sie denn hereingelassen?
Betty. Er hat es gewünscht.
Ferdinand. Ah, ich begreife gewisse Stimmungen sehr
gut; aber wenn ich hier schon als Arzt reden darf...
Adolf. Sie müssen als Arzt reden.
Ferdinand. Und als Freund
Adolf. Nun, Doctor?
Ferdinand. Man hätte nicht nachgeben sollen; diese
Aufregung war zum mindesten überflüssig.
Adolf. Na, also... was hab' ich gesagt? Der simpelste
Menschenverstand muß so etwas einsehen.
Betty. Er hätte sich mehr aufgeregt, wenn wir ihm
diesen Wunsch nicht erfüllt hätten. Er glaubt, es ist sein
letzter Wunsch.
Ferdinand. Letzter Wunsch... letzterWunsch...
Betty. Ich weiß schon, daß es vielleicht sein letzter war.
Ferdinand. Wer kann das sagen? Niemand! Hat
sich vielleicht der Arzt. der ihn hieher gebracht hat, bestimmt
über die Prognose ausgesprochen? Wenn ja, muß ich sagen,
er ist — nun, um mich nicht stärker auszudrücken, — voreilig
gewesen.
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.