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Betty. Ja, Emma, der Bub' da giebt's mir wieder
Nach und nach, durch solche Worte, wie jetzt, vom Garten,
durch alles Mögliche, was er zusammenplauscht, dadurch, daß
er überhaupt da ist, giebt er mir die Tage wieder, die mir
mein Hugo nicht gegeben hat.] (Sie nimmt das Kind, herzt es.)
Ja, mein slißer, süßer Bub. [da sind sie!] Auf Deinen Lippen
in Deinen Augen, da sind alle die Tage, die mir der Hugo
nicht gegeben hat!
Emma (sehr bewegt). Glaub’ mir, Betty, in den Augen
seiner Mutter fändest Du vielleicht noch mehr davon, wenn
Du auch da suchen wolltest.
Betty. Ja, das ist schon möglich. Aber da fände ich
vielleicht vieles Andere, was ich nicht suche, und was ick nicht
finden möchte.
Emma. Was denn? Was könntest Du da finden, was
Du nicht finden möchtest?
Betty. Wie kannst Du mich so fragen, Emma?
Emma. Nun — was? — Daß sie Freuden und Schmerzen
durchgemacht hat, von denen Du, meine liebe Betty, Dic
wahrscheinlich in Deinem ganzen Leben nichts hast träumenlassen!
Was denn sonst? Sie wäre ja ohne ihn möglicherweise
was Schlechtes geworden — und wenn er gewollt, so hätte
er selbst sie zu 'was Schlechtem machen können. Aber er hat
sie zur Mutter seines Kindes gemacht, und so ist sie gut
geworden. Du mußt sie lieb haben, Betty.
Betty. Das thu' ich ja.
Emma. Sie verdient es! — (Bewegt.) Ich weiß, was
es heißt, einen geliebten Mann verlieren, als junge und ge¬
liebte Frau. Alles verschmerzen wir, Vater und Mutter und
Söhne — aber wenn uns der Geliebte gestorben ist, können
wir nie wieder lachen, wie andere Frauen — da kommen
immer wieder Tage, wo es ist wie am ersten Tag, — und
an jedem Grab weinen wir doch wieder nur für ihn. —
(Pause).
Betty. Ich muß jetzt so oft an ihn denken. Soll man
nicht an eine Bestimmung glauben?
Emma. Wie meinst Du das?
Betty. Gerade die Beiden haben so früh von uns fort
müssen — mein Bruder und mein Sohn, gerade die, die
einander so ähnlich waren!
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Emma. Ja, es war eine seltsame Aehnlichkeit.
Betty. Und beinah auf den Tag sind sie gleich alt
geworden.
Emma (in Sinnen). Besonders wenn Hugo am Klavier
gesessen ist!.. da war mir oft, als säh' ich Ihn wieder vor
mir. Ich glaube fast, ich hab' ihn oft nur deswegen gebeten,
mir was vorzuspielen.
9. Auftritt.
Betty. Emma. Das Kind. Adolf (tritt ein, links vorn, hat ein
Päckchen in der Hand).
Adolf. Guten Abend! Guten Abend, Emma, wie
Na, was macht
geht's Dir denn? (Beugt sich zum Kind herab.
das Bubi? Was macht das süße kleine Bubi?.. (Liebkosung,
übertrieben.) Was hab' ich da dem Bubi mitgebracht?
Emma. Darf ich Dich um etwas bitten, Adolf?
Adolf. Stets zu Deinen Diensten, Emma.
Emma. Wenn Du dem Kind nicht so oft Bubi sagen
möchtest — es macht einen ganz nervös.
Na. (Zum Kind.
Adolf. Komisch bist Du, Emma,
Herr Hofrath, was glaubst Du, daß ich Dir mitgebracht hab'
Betty. Jeden Tag bringst Du ihm ‘was mit. (An Emma
gewandt.) Und dabei hat er eigentlich an nichts eine rechte
Freude.
Adolf. Das wird schon kommen. Wahrscheinlich haben
wir das Richtige noch nicht gefunden. Meiner Ueberzeugung
nach hat nämlich jedes Kind sein Spielzeug, dasjenige, dass
gerade seiner individualität... (Er hat das Päckchen geöffnet, nimmt
eine Trompete heraus.) Das gehört dem kleinen Franz! — Ja!
(Er trompetet.)
Kind (zuckt zusammen).
Emma. Das scheint schon wieder nicht das Richtige
zu sein.
Adolf. Wo ist denn übrigens die Mutter?
Emma. Warum sagst Du nicht einfach Toni?
Ah, das ist
Adolf. Ich sage ohne Weiteres Toni!
Na, da kennst Du mich schlecht. Wo ist Toni?
gut!
Sie ist — mit Franzi fortgegangen.
Betty
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.
Betty. Ja, Emma, der Bub' da giebt's mir wieder
Nach und nach, durch solche Worte, wie jetzt, vom Garten,
durch alles Mögliche, was er zusammenplauscht, dadurch, daß
er überhaupt da ist, giebt er mir die Tage wieder, die mir
mein Hugo nicht gegeben hat.] (Sie nimmt das Kind, herzt es.)
Ja, mein slißer, süßer Bub. [da sind sie!] Auf Deinen Lippen
in Deinen Augen, da sind alle die Tage, die mir der Hugo
nicht gegeben hat!
Emma (sehr bewegt). Glaub’ mir, Betty, in den Augen
seiner Mutter fändest Du vielleicht noch mehr davon, wenn
Du auch da suchen wolltest.
Betty. Ja, das ist schon möglich. Aber da fände ich
vielleicht vieles Andere, was ich nicht suche, und was ick nicht
finden möchte.
Emma. Was denn? Was könntest Du da finden, was
Du nicht finden möchtest?
Betty. Wie kannst Du mich so fragen, Emma?
Emma. Nun — was? — Daß sie Freuden und Schmerzen
durchgemacht hat, von denen Du, meine liebe Betty, Dic
wahrscheinlich in Deinem ganzen Leben nichts hast träumenlassen!
Was denn sonst? Sie wäre ja ohne ihn möglicherweise
was Schlechtes geworden — und wenn er gewollt, so hätte
er selbst sie zu 'was Schlechtem machen können. Aber er hat
sie zur Mutter seines Kindes gemacht, und so ist sie gut
geworden. Du mußt sie lieb haben, Betty.
Betty. Das thu' ich ja.
Emma. Sie verdient es! — (Bewegt.) Ich weiß, was
es heißt, einen geliebten Mann verlieren, als junge und ge¬
liebte Frau. Alles verschmerzen wir, Vater und Mutter und
Söhne — aber wenn uns der Geliebte gestorben ist, können
wir nie wieder lachen, wie andere Frauen — da kommen
immer wieder Tage, wo es ist wie am ersten Tag, — und
an jedem Grab weinen wir doch wieder nur für ihn. —
(Pause).
Betty. Ich muß jetzt so oft an ihn denken. Soll man
nicht an eine Bestimmung glauben?
Emma. Wie meinst Du das?
Betty. Gerade die Beiden haben so früh von uns fort
müssen — mein Bruder und mein Sohn, gerade die, die
einander so ähnlich waren!
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Emma. Ja, es war eine seltsame Aehnlichkeit.
Betty. Und beinah auf den Tag sind sie gleich alt
geworden.
Emma (in Sinnen). Besonders wenn Hugo am Klavier
gesessen ist!.. da war mir oft, als säh' ich Ihn wieder vor
mir. Ich glaube fast, ich hab' ihn oft nur deswegen gebeten,
mir was vorzuspielen.
9. Auftritt.
Betty. Emma. Das Kind. Adolf (tritt ein, links vorn, hat ein
Päckchen in der Hand).
Adolf. Guten Abend! Guten Abend, Emma, wie
Na, was macht
geht's Dir denn? (Beugt sich zum Kind herab.
das Bubi? Was macht das süße kleine Bubi?.. (Liebkosung,
übertrieben.) Was hab' ich da dem Bubi mitgebracht?
Emma. Darf ich Dich um etwas bitten, Adolf?
Adolf. Stets zu Deinen Diensten, Emma.
Emma. Wenn Du dem Kind nicht so oft Bubi sagen
möchtest — es macht einen ganz nervös.
Na. (Zum Kind.
Adolf. Komisch bist Du, Emma,
Herr Hofrath, was glaubst Du, daß ich Dir mitgebracht hab'
Betty. Jeden Tag bringst Du ihm ‘was mit. (An Emma
gewandt.) Und dabei hat er eigentlich an nichts eine rechte
Freude.
Adolf. Das wird schon kommen. Wahrscheinlich haben
wir das Richtige noch nicht gefunden. Meiner Ueberzeugung
nach hat nämlich jedes Kind sein Spielzeug, dasjenige, dass
gerade seiner individualität... (Er hat das Päckchen geöffnet, nimmt
eine Trompete heraus.) Das gehört dem kleinen Franz! — Ja!
(Er trompetet.)
Kind (zuckt zusammen).
Emma. Das scheint schon wieder nicht das Richtige
zu sein.
Adolf. Wo ist denn übrigens die Mutter?
Emma. Warum sagst Du nicht einfach Toni?
Ah, das ist
Adolf. Ich sage ohne Weiteres Toni!
Na, da kennst Du mich schlecht. Wo ist Toni?
gut!
Sie ist — mit Franzi fortgegangen.
Betty
Als Manuscript gedruckt.
Das Vermächtnis.