A85: Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 130

Wagen nehmen und zu — (Er klingest.) Ich will einfach vor
Ferdinand. Sie selbst, glauben Sie mir, ist befriedigt
allem zu der Wachstube im Prater fahren, das scheint mir
über diesen Ausgang. Ich hoffe, sie wird auch diesen
das Vernünftigste — (Stubenmädchen tritt ein). Holen Sie einen
Abschied
- rasch — (Stubenmädchen ab.)
dieser
Sie ist nicht da
Franziska (zurückkehrend).
Fiaker
Betty. Hätten wir sie nicht fortgeschickt.
Franziska. Warum hast Du's zugelassen, Mama?
Zettel.
Adolf (liest ihn, erschrickt).
Was hilft das alles jetzt! Ihr wißt das so gut als ich
Ferdinand (liest ihn; hart). Worte
Adolf. Wie willst Du das wissen?
Betty. Um Gotteswillen!
ich
Ferdinand. Was immer geschehen sein mag,
Worte
Ferdinand. Das beweist gar nichts
versichere Sie — es wird nichts geschehen sein; — niemand
Franziska (in höchster Erregung). „Nicht nach mir suchen
jawohl, niemand hat sich einen Vorwurf zu machen
es ist zu spät" — was heißt das?
niemand — ich betone das; niemand sich, und niemant einem
Ferdinand. Angst einjagen. Ein letzter Versuch. Be¬
ruhigen Sie sich doch. Ich lege meine Hand in's Feuer, daß
Franziska. Ja, warum habt ihr sie denn davongejagt?
anderen.
Hat sie irgend wen gestört? irgende wem 'was böses gethan!
die sich nichts anthut.
Franziska. Wo ist sie?
Adolf. Der Doctor hat Recht — Vorwürfe sind durch¬
Ferdinand. Warum fragen Sie das mich, Franziska?
aus nicht am Platze — (er sieht zum Fenster, ob der Wagen schon da
Franziska. Sie haben sie ja davongejagt, darum frag
ist) durchaus nicht — wir konnten sie nicht bei uns behalten
ich Sie.
es lag gar kein Grund mehr vor. Da müßte man.
Betty. Mein Kind!
Das kannst Du, Franziska, nicht verstehen... viele Weiber
Das
Adolf (den Zettel in der Hand). „Es ist zu spät.“
steht
heißt einfach: sie wünscht nicht, gesucht zu werden.
im Hause haben!
Franziska. Warum denn? Ja warum? Haben wir
ja übrigens da: nicht nach mir suchen... sie wünscht es
k denn Alle vergessen, was sie ihm war? Alles bewahren wir
statt morgen früh, ist sie eben schon heute
nicht
auf, was uns an ihn erinnert, Alles, was er geliebt hat
Ferdinand. Gewiß ist es so.
das Nichtigste! Da sind die Bilder — die Bücher — und
Franziska. „Nicht nach mir suchen, es ist zu spät."
man hat an diese Dinge nicht gerührt — mit Andacht treten
Was redet ihr denn da, das ist doch so klar
wir alle in dieses Zimmer ein — alles, was uns an ihn er¬
Ferdinand. Sie wird sich schon irgendwo aufgreifen
innert, ist uns heilig, und gerade das Wesen, das ihm durch
lassen — an den Ufern der Donau — auf einer Brücke
Jahre mehr war als wir Alle, jagen wir hinaus? Die, die
das kennt man ja. — Diese Art Weiber bringen sich nicht
wir am sorgsamsten hätten hüten müssen, das einzige lebendige,
das Leben ist zu schön für sie
um
was uns von ihm übrig geblieben ist, nachdem das Kind
Ah, meine arme Betty, was kommt alles
Adolf.
gestorben — die jagen wir hinaus?
über uns!
Ferdinand (in starker Erregung). Franziska, ich muß doch
Betty (sich endlich aufraffend). Ja, aber, irgend 'was muß
bemerken, das es nicht angeht, als Erinnerung an seinen ver¬
man doch thun! Wie immer das Billet da aufzufassen ist,
storbenen Bruder, dessen Maitresse aufzubewahren.
geschehen muß doch irgend etwas
Franziska (fast aufschreiend). Ferdinand, gehen Sie, ich bitte
Franziska. „Es ist zu spät" — es ist su spä t.
ich
Adolf. Ich will sofort die Anzeige machen
Sie, gehen Sie. Ich fange an, Sie zu verstehen. Gehen Sie
werde augenblicklich zur Polizeidirection fahren. Oder warten
es ist mir entsetzlich, Sie zu sehen. Sie haben sie gehaßt.
Sie, Doctor, ich werde hin telephoniren. — Oder nein. Doctor,
Ferdinand. Ja — wie die Sünde!
besorgen Sie das — ja — und ich, ich werde mir einen
Als Manuscript gedruckt.