A94: Der junge Medardus, Konvolut Zeitungsausschnitte mit historischem Material, Seite 1

rück uventen
da, unpassende Gespräche führen, als wäre
schiat, das
nächsten Umkreise Uebrigens gibt ja
gegen
wir auf dem Subskriptionsballe, während Sie der Sie
Von Herrn von
diesen Lärm hievon Zeugniaa huia
noch vorhandenen anderen Personen.
„Gerade weil der Spektakel so groß ist, beweist meine gewiß schon längere Zeit hier sind, mir, dem Mädchen
Als man sich abend wieder traf, hatte sich die Ge¬
vom Lande, das den ersten Tag in der Residenz Palermo
ellschaft schon vermehrt. Nicht etwa, daß in ihrer Nach
Widerstandsfähigkeit gegen ihn eigentlich sehr wenig.'
verbringt, gewiß eine Menge nützlicher Dinge von Stadt
barschaft neue Ankömmlinge eingereiht oder Aenderungen
„Wieso"
„Ich habe auf den Lärm bisher nur geachtet, wenn und Leuten und sonstigen Inwohnern erzählen können.“
in der Sitzordnung vorgenommen worden wären, aber
„Ich bin nicht viel länger da als Sie... ein Tag,
Frau Präsident v. Uzow war eine sehr mitteilsame Dame sch arbeiten wollte; und da habe ich gefunden, daß mich
Geräusche allerdings leicht ablenken, wenn sie unter einer das ist der ganze Unterschied. Da habe ich von Land und
und berühmt wegen ihrer Gabe, mit allen Leuten be¬
Leuten noch nicht viel sehen können. Und mit den In¬
gewissen Grenze bleiben, ja am meisten genieren mich da
kannt zu werden. Und da sie auf der Treppe einer Dame
ganz kleine Störungen, wie zum Beispiel, wenn jemand wohnem habe ich überhaupt noch nicht Fühlung ge¬
und einem Herrn aus Bremen, die bei Tisch ihr und
begegnet war, so hatte im Nebenzimmer spricht, wenn ich mich aber mit meiner nommen. Hoffentlich sind sie besser als ihr Auf.
ihrem Manne gegenübersaßen,
Selbstbestim¬
fremden meinte daher ein Soldat Napoleons:
des politischen
die Verheißung
mungsrechtes für die Wiener als Einschüchterung
mittel
konnten uns nicht denken, man würde in so übler Lage
10 1/4 Napoléon und die Wiener.
eine so schlecht angebrachte Neugierde zeigen.“ Am Tage benützte. Erzherzog Karl suchte die Zufuhr von Fleisch
Von Richard Charmatz.
nach Wien zu verhindern, und es entstand wirklich eine
vor der Besetzung Wiens hatte übrigens der landes¬
Μäpoleon lebt in unserer Phantasie als Weltbezwinger
arge Fleischnot. Da ließ der Kaiser der Franzosen in der
fürstliche Hofkommissär ausdrücklich
bekannt
Seine Füße zerstampften Reiche, sein Weg ist mit Blut
„Wiener Zeitung" schreiben, daß er, wenn die Verpfleaung
macht, daß Privatleute keinen Grund hätten
gezeichnet. Wir sehen ihn in seiner historischen Rolle auf! Doppeladler von ihren Firmenschildern zu
Wiens weiter gestört werden sollte, „die Verfassung der Stadt
der Bühne Europas vom grellen Rampenlicht der Ge¬
verändern und ihr einen den jetzigen Zeitverhältnissen
fernen. Die Aufregung war also wirklich nicht
schichte beleuchtet. Freilich, auch sein Treiben hinter den
sehr groß. Auch während der Okkupation wurde angemessenen Charakter geben würde, wovon Oesterreich
Coulissen ist uns bekannt, wir wissen, wie es in den Garde
vielleicht ein Andenken zurückbliebe, das noch empfind
zwischen den Bürgern und den neuen Herren eine leid¬
roben aussah und was sich am häuslichen Herde zutrug
licher als der unglückliche Krieg selbst wäre“. Diese Worte
liche Harmonie aufrecht erhalten. An ärgerlichen Zwischen¬
Aber daran denkt man erst in zweiter Linie. Marengo
sind zwar undeutlich, aber man kann ihren Sinn ver¬
fällen fehlte es zwar nicht, aber diese blieben vereinzelt
Austerlitz, Jena, Moskau und Namen, die schwerer in die
stehen, sobald man sich erinnert, daß Napoleon auch
Die „Wiener Zeitung“ hatte nicht ganz Unrecht, wenn sie
Wagschale fallen, als Josephine, Fourés, Grossini und
später von der Abschaffung der Feudalrechte und anderer
schrieb: „Nicht nur sind die Kaufmannsgewölbe, die
Walewska. Von Bonaparte dem Ernsten, Strengen, Fürchter¬
alter Rechtsformen sprach. Der Schreckschuß verfehlte seine
Theater, die Gasthäuser wie gewöhnlich besucht; selbst in
lichen hat einst in schwerer Zeit Arndt gesprochen, von
Wirkung nicht. Die Unterbindung der Lebensmittelzufuhr
den Stunden der Mitternacht herrscht die vollkommenst
ihm reden wir noch heute. Und da hat es nun einen
hörte sogleich auf. In der Nacht vom 26. auf den
Sicherheit. Ruhig und friedlich setzen die Bürger ihre
sonderbaren Reiz, sich diesen Mann, der nicht rasten konnte
gewohnte Lebensweise mitten im Schoße einer sieges¬ 27. Dezember 1805 wurde in Preßburg der Friede unter¬
in die gemütlichste und lebenslustigste aller Städte hinein¬
trunkenen Armee fort.“ Allerdings machte sich eine starke zeichnet, der Oesterreich schwere Opfer auferlegte und
zudenken. Napoleon in Wien, in der Stadt der Daseins¬
Verteuerung aller Nahrungsmittel fühlbar, und in gar Napoleons Macht und Ansehen erheblich vermehrte. Einen
freude und des Wohllebens, wo im allgemeinen der Drang
Tag nachher gelangte bereits eine Proklamation zw Aus¬
manchen Familien war Schmalhans Küchenmeister
ins Weite fehlte und aller Ehrgeiz darauf gerichtet schien
gabe, in der sich der triumphierende Kaiser der Franzosen
öpoleon hatte seine Residenz in Schönbrunn auf
den engen Rahmen einer gut bürgerlichen Existenz mit
von den Wienern verabschiedete. „Im Begriffe, in meine
geschlagen, doch bald trieb ihn sein ungestümer Eifer aus
freundlichem Inhalte auszufüllen! Wie haben sich die
Hauptstadt zurückzukehren" — heißt es darin — „wünsche
dem schönen Schlosse Maria Theresias. Es galt, eine
beiden verstanden: der gewaltigste aller Tatmenschen un
Entscheidungsschlacht vorzubereiten, und je ungünstiger ich Euch die Achtung, die ich für Euch hege, und die Zu¬
friedenheit erkennen zu lassen, die ich über Euer gutes
das heitere Wien?
sich die Situation für den Kaiser der Franzosen gestaltete,
Der Koalitionskrieg des Jahres 1805 brachte
desto ruheloser war dieser am Werke, den Sieg an seine Betragen empfinde. Ich habe Euch ein Beispiel gegeben
Ναρoleon nach der alten Kaiserstadt an der Donau. Die
das in der Geschichte der Völker unerhört ist Zehn¬
Katastrophe von Ulm hatte den Feldherrnruf des glück¬ Fahnen zu heften. Da kam der Tag von Austerlitz, der
öpoleon einen seiner größten militärischen Erfolge tausend Nann Eurer Nationalgarde sind unter Wassen
begünstigten Emporkömmlings außerordentlich gehoben.
geblieben und haben Eure Tore bewacht. Euer Arsenal
Indes, der kühne Eroberer, der gegen Wien marschierte, | brachte. „Soldaten, ich bin mit euch zufrieden!" dieses
stolze Lob spendete der vergötterte Führer seinen braven wurde vollständig in Eurer Gewalt gelassen, und während
stand noch nicht auf der Höhe seines Ruhmes. Noch galt
eben dieser Zeit habe ich mich den abwechselnden Launen
er den Deutschen nicht als Tyrann, der die Völker unter=| Truppen. Am 3. Dezember wurde der Ausgang der
blutigen Schlacht bei Austerlitz in Wien bekannt. Ein | des Krieges bloßgestellt. Ich habe mich auf Eure Ge¬
jochte; man bewunderte ihn als Phänomen, ohne sich
fühle von Ehre, Treue und Redlichkeit verlassen, Ihr
offizielles Extrablatt meldete: „Seine Majestät der Kaiser
wie später, mit Abscheu von ihm zu wenden. Als
habt mein Zutrauen gerechtfertigt!... Alle die Uebel,
Ναρoleon haben gestern einen ausgezeichneten und voll¬
Neepoleon in die Nähe Wiens gekommen war, wurde
ständigen Sieg über die russische Armee erfochten; diese die Ihr erlitten habt, schreibt dem Unglücke zu, das vom
ihm aus der Hauptstadt eine Abordnung entgegengesandt
Der Kriege unzertrennlich ist, alle die Schonungen, mit denen
merkwürdige Schlacht wurde bei Austerlitz geliefert.
die den Kaiser verständigte, daß man, auf seine Recht¬
meine Armee Eure Gegenden betreten hat, verdankt Ihr
lichkeit bauend, Wien ohne Gegenwehr übergeben wolle. Kaiser der Franzosen kehrte erst am 12. Dezember nach
der Achtung, die Ihr Euch erworben habt.“ Gleichsam
Wien zurück. In der Nähe von Schönbrunn wurden
Damals galt eben für Bonaparte nicht die nachher ver
als verlegene Entschuldigung kann die Begründung auf¬
nehrere Truppenrevuen abgehalten, zu denen viele fried¬
tretene Ansicht, daß Großmut in der Politik eine Dumm¬
liebende Bürger der Stadt hinauszogen und fuhren. Man gefaßt werden, die Napoleon seiner scheuen Zurückhaltung
heit sei. Betrat Napoleon auch an der Spitze einer feind¬
gab. Wenn er sich so wenig unter den Bürgern zeigte,
lichen Armee die Hauptstadt des Kaiserreiches, so suchte, wollte den Sieger in der Dreikaiserschlacht mit eigenen
so geschah dies nicht aus Geringschätzung oder aus eitlem
Augen sehen, zumal da Napoleon trotz seines Aufent¬
er doch die Gegensätze zu vermindern und die Schrecken
haltes in der Nähe Wiens jede Berührung mit den Stolze. Der Kaiser der Franzosen wollte bloß die Gefühle
der Okkupation, so weit es ging, zu mildern. Schon der
schonen, die Wiens Bevölkerung mit dem angestammten
Einzug seiner Truppen in die Stadt, der sich am | Wienern ängstlich mied. „Alle kehrten bezaubert von seinem
Herrschenhause verbinden, denn er hatte die Absicht, mit
13. November vollzog, hatte ihn gelehrt, daß man der | Anblicke zurück, in dem sich Geist und Würde mit
Kaiser Franz einen schnellen Frieden zu schließen. Liest
In den edelster Simplizität und der einnehmendsten Freundlichkei
man diese eigentümliche Proklamation, dann wird man
Franzosenherrschaft Vertrauen entgegenbringe.
vereinigt," schrieb die „Wiener Zeitung“, die nun in
Straßen bildeten die schaulustigen Wiener Spalier,
französischen Diensten stand. Interessant und wenig unwillijrlich an die Schmeichelworte erinnert, mit denen
das großartige, wenngleich betrübende Schauspie
Kirumarschen zu können. Nicht ohne Be- heräftet ist die Tatflaue, daß Napoléon in dieser Zeit, ein junger Ritter von der freundlichen Schönen Abschied