23.3.1914.
Kopenhagen, 23. August 1914
(10.9.14.)
glieder der Akademie und
Verehrter und lieber Freund.
G.J. de Schöne
Erst jetzt erhalte ich Ihren Schweizer Brief vom 3.August.Er
war zwanzig Tage unterwegs. Ich brauche Maum zu sagen, wie gern ich
etwas für Sie tun möchte. Sie wissen, wie lieb ich Sie habe und wie
sehr ich Sie schätze. Leider bin ich nicht der rechte Mann. Ich bin
in der schwedischen Akademie ganz unbeliebt. Erstens: ich glaube nicht,
dass der Schwede der Ihnen von Oesterreich sprach, wirklich etwas wusste
Jedes Jahr werden völlig unrichtige Gerüchte in Umlauf gesetzt. Die
Eingeweihten dürfen nichts sagen. Der Preis wird 1914 gar nicht verteilt
erst Frühling 1915. Man hat November abgeschafft, Juni eingefährt.
Zweitens: Man fragt nicht speziell im Ministerium oder in der Aka-
demie. Jedes Jahr haben alle Mitglieder seiner Universität und alle
Mitglieder der Akademien des Landes eine Stimme. So haben hier Universi-
tätsprofessoren und Akademiemitglieder jeder eine Stimme.
Ich habe keine. Denn obwohl Ehrendoktor an schottischen Universi-
täten und Ehrenmitglied der amerikanischen Akademie der Wissenschaften
und Künste, der italienischen, der norwegischen. der Royal Society u.
s.w. bin ich nicht einmal ordinäres Mitglied der dänischen
Universität. Bin also nie gefragt worden.
Drittens: Schon vor zehn Jahren schlugen viele fremde Schriftstel-
ler (u.a.Anatole France) mich zum Nobelpreis vor; schon vor 9 Jahren
schlug die dänische Akademie der Wissenschaften mich einstimmig zum
Robelpreis vor und hat nie später einen anderen Vorschlag machen
wollen. Die Schweden aber, die mich hassen, weil ich einen russischen
Flüchtling, der in Stockholm gefesselt war, gegen Auslieferung schützte,
haben erklärt, dass von mir nie die Rede sein konnte. So impopulär bin
ich dort. Sie sehen also dass ich ganz ausser Lage bin, jemand offi-
ziell zu empfehlen.
Viertens: Ich kenne indessen privat einige einflussreiche Mit-
42
23.8.1914.
- 2 -
V. P. v. M. F.
glieder der Akademie und ich werde ihnen schreiben.
Nur ist dies nicht der Moment. Kein Mensch in Schweden denkt an
anderes als an den Krieg; das ganze Land ist zur Verteidigung gegen
das Comité.
teilt mir mits
Russland gerüstet.
Ich lernte im vergangenen Sommer einigermassen englisch reden,
hielt im November-Dezember mit viel Erfolg Vorlesungen in allen Städ-
ten Englands und Schottlands. Mai und Juni redete ich in Nordamerika,
in New Haven, Chicago und New York, An meinem letzten Abend in
New York im Juni (93° Fahrenheit) hatte ich das Comedy Theatre so voll,
dass über tausend Personen mit unverrichteter Sache weggehen mussten.
Und nun haben wir den schrecklichen Weltkrieg. Ich möchte Unter-
gang für Russland, Rettung für Frankreich. Aber wer fragt nach unseren
Wünschen! Meine Tochter hat einen jungen deutschen Artillerieoffizier
von 32 Jahren zum Gatten. Sie ist hier mit einem kleinen Mädel von
6 Jahren und einem kleinen Jungen von 2 Jahren in grosser Angst für
ihren Mann, den sie leidenschaftlich liebt.
Meinen ehrerbietigen Gruss an Ihre liebe Frau Gemahlin.
Ich bin Ihr treuer Freund
Georg Brandes.
Kopenhagen, 23. August 1914
(10.9.14.)
glieder der Akademie und
Verehrter und lieber Freund.
G.J. de Schöne
Erst jetzt erhalte ich Ihren Schweizer Brief vom 3.August.Er
war zwanzig Tage unterwegs. Ich brauche Maum zu sagen, wie gern ich
etwas für Sie tun möchte. Sie wissen, wie lieb ich Sie habe und wie
sehr ich Sie schätze. Leider bin ich nicht der rechte Mann. Ich bin
in der schwedischen Akademie ganz unbeliebt. Erstens: ich glaube nicht,
dass der Schwede der Ihnen von Oesterreich sprach, wirklich etwas wusste
Jedes Jahr werden völlig unrichtige Gerüchte in Umlauf gesetzt. Die
Eingeweihten dürfen nichts sagen. Der Preis wird 1914 gar nicht verteilt
erst Frühling 1915. Man hat November abgeschafft, Juni eingefährt.
Zweitens: Man fragt nicht speziell im Ministerium oder in der Aka-
demie. Jedes Jahr haben alle Mitglieder seiner Universität und alle
Mitglieder der Akademien des Landes eine Stimme. So haben hier Universi-
tätsprofessoren und Akademiemitglieder jeder eine Stimme.
Ich habe keine. Denn obwohl Ehrendoktor an schottischen Universi-
täten und Ehrenmitglied der amerikanischen Akademie der Wissenschaften
und Künste, der italienischen, der norwegischen. der Royal Society u.
s.w. bin ich nicht einmal ordinäres Mitglied der dänischen
Universität. Bin also nie gefragt worden.
Drittens: Schon vor zehn Jahren schlugen viele fremde Schriftstel-
ler (u.a.Anatole France) mich zum Nobelpreis vor; schon vor 9 Jahren
schlug die dänische Akademie der Wissenschaften mich einstimmig zum
Robelpreis vor und hat nie später einen anderen Vorschlag machen
wollen. Die Schweden aber, die mich hassen, weil ich einen russischen
Flüchtling, der in Stockholm gefesselt war, gegen Auslieferung schützte,
haben erklärt, dass von mir nie die Rede sein konnte. So impopulär bin
ich dort. Sie sehen also dass ich ganz ausser Lage bin, jemand offi-
ziell zu empfehlen.
Viertens: Ich kenne indessen privat einige einflussreiche Mit-
42
23.8.1914.
- 2 -
V. P. v. M. F.
glieder der Akademie und ich werde ihnen schreiben.
Nur ist dies nicht der Moment. Kein Mensch in Schweden denkt an
anderes als an den Krieg; das ganze Land ist zur Verteidigung gegen
das Comité.
teilt mir mits
Russland gerüstet.
Ich lernte im vergangenen Sommer einigermassen englisch reden,
hielt im November-Dezember mit viel Erfolg Vorlesungen in allen Städ-
ten Englands und Schottlands. Mai und Juni redete ich in Nordamerika,
in New Haven, Chicago und New York, An meinem letzten Abend in
New York im Juni (93° Fahrenheit) hatte ich das Comedy Theatre so voll,
dass über tausend Personen mit unverrichteter Sache weggehen mussten.
Und nun haben wir den schrecklichen Weltkrieg. Ich möchte Unter-
gang für Russland, Rettung für Frankreich. Aber wer fragt nach unseren
Wünschen! Meine Tochter hat einen jungen deutschen Artillerieoffizier
von 32 Jahren zum Gatten. Sie ist hier mit einem kleinen Mädel von
6 Jahren und einem kleinen Jungen von 2 Jahren in grosser Angst für
ihren Mann, den sie leidenschaftlich liebt.
Meinen ehrerbietigen Gruss an Ihre liebe Frau Gemahlin.
Ich bin Ihr treuer Freund
Georg Brandes.