B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 75

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Brandes.
Kopenhagen. 21. April 26.
Mein liebster Freund.
Sie sind einer der wenigen Menschen, dem ich nur Gutes ver-
danke, einen wahren geistigen Reichtum. Heute las ich zum zweiten
male - nach Monaten - Ihr tiefsinniges Drama über den Weiher, und verstand
es inniger als das erste Mal, hatte meine Freude daran. Sie haben dort
eine Saite angeschlagen, die in der Gegenwart selten gehört wird;
Verse klingen heutzutage selten von der Bühne, und Sie sind zu den
ausführlicheren Repliken älterer Zeiten zurückgekehrt; Aber Sie meistern
diesen Stil und Sie fesseln. Das Stück ist ein schönes Ganzes. Ich
habe keine Zeitungen in deutscher Sprache, weiss deshalb nicht, ob das
Stück aufgeführt worden noch ob es Erfolg hatte. Sie wissen, dass ich
Ihnen jeglichen Erfolg wünsche. - Ich denke mir, dass ich Anfang Mai
um meiner Gesundheit willen nach Karlsbad reise. Ich bin wohl mehr als
ein Dutzend Mal vor dem Kriege dort gewesen. Jetzt wird es wohl dort,
wie überall, ärmer sein. Die Sprache trennt mich leider von Ihnen. Mein
deutscher Verleger, Erich Reiss, hat Fallissement gemacht. Alles was
er mir schuldig war, seit Jahren, ist in Rauch aufgegangen. - Ich hoffe,
dass es Ihnen und den Kindern gut geht, Frau Gestrud Rung, die Sie
freundlich empfingen, liebt Sie sehr.-
Ihr Freund
1e,5.e, jusqu'a 2n.
Kopenhagen, Goethes Geburtstag 2326.
Brandes.
Verehrter Freund.
Seit April 1925 hab ich Sie nicht gesehen, und es ist mir,
als sah ich Sie gestern. So lebhaft stehen Sie mir vor Augen. Seitdem
haben Sie eine weite Reise nach den canarischen Insein gemacht, sich
freundlich meiner erinnert, mir die sonderbar tiefsinnige Traumnovelle
zugesandt, vermutlich noch anderes hervorgebracht. Ich bitte nur, mich
nicht zu vergessen; ich war in Karlsbad, Prag, Schandau, meiner Ge-
sundheit halber, und bin nicht krank, arbeite weiter mit Forschungen
über Petrus und Paulus. Ueber Petrus erschien vor langer Zeit ein
Büchlein, aber da mein Verleger in Berlin bankerott ist, wurde es
nicht deutsch publiziert.- Es war schön, dass ich in Wien Ihr Gast
sein durfte. Ihre junge N Tochter war Schmuck des Hauses. - Ich bitte
gelegentlich Beer-Hofmann und seine Gemahlin sehr herzlich von mir zu
grüssen.- Ich weiss nicht, ob Sie Zeit zum Lesen haben. Sonst würde
ich Ihnen Kyra Kyralina von dem Rumänen Panit Istrati empfehlen. Er
schreibt französisch und hat grosse Frische.
Ihr getreuer Freund
G.B.