B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 12

1e, 1e p.r 1e, p.s. 1, j. p. a. 4, 1,
11 " "
Ischl, 18.7.97.
Verehrtester Herr Brandes,
ich danke Ihnen herzlich, dass Sie mir so schnell eine
Nachricht haben zugehen lassen. Vor allem entnehme ich ihr, dass jede
Gefahr vorüber ist, und das ist ja das wesentliche, Auch scheint es,
dass Sie schon wieder arbeiten dürfen - und sogar sich ärgern - wenn
das mit ärztlicher Erlaubnis geschieht? Aber mir scheint wirklich, Sie
sind mit den deutschen Übersetzungen ein Bischen gar zu streng - die
Leute, die nicht das Glück haben, Übersetzungen Ihrer Bücher mit dem
Urtext vergleichen zu können, finden auch in diesen Übersetzungen irgend
was und sogar sehr viel, das ihnen trotz Missverständnissen und Flüchtig;
keiten (die ja uns grösstenteils entgehen) der ganze Georg Brandes zu
sein scheint. Freilich ahnt man oft, dass hier ein Zauber verloren ge-
gangen ist, der unwiederbringlich ist;- aber glauben Sie mir, es bleibt
noch immer so viel Zauber übrig, dass die meisten gar nicht dazu kommen,
dan fehlenden zu vermissen. Ich gehöre ja leider auch zu denen, die
nicht dänisch verstehen – und Sie haben mir noch jedesmal, durch die
schwächsten Übertragungen hindurch wahrhaftig viel gegeben!
Ich wusste nicht, dass Paul Goldmann Ihnen schon lange Zeit
nicht geschrieben hat. Aber Sie können kaum ahnen, was dieser Mann zu
thun hat. Ich bin im Frühjahr in Paris gewesen, und habe manche Tage mit
ihm verbracht; er kommt überhaupt kaum je eine Viertelstunde zur Ruhe.
Allerdings hat er etwas zu viel Gewissen und opfert meiner Ansicht nach
der Frankf.Zeitg.mehr von dem besten seines Lebens auf, als sie ihm
je danken wird. Da der Gruss an meine Freunde wohl ihm und Beer-Hofmann
gilt, habe ich ihn beiden mitgeteilt. Dr. B. H.ist hier und dankt Ihnen
vielmals; er verbindet seine besten Wünsche für Ihre baldige vollkommene
Genesung mit den meinen. Eine Frage an Sie hatte ich mir schon neulich
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vorgenommen: Haben Sie die Skizzen von Altenberg gelesen? (Es ist
ein Buch: „Wie ich es sehe“, der Autor hat es Ihnen wohl geschickt.)
Ich schreibe jetzt, nach einigen kleineren Erzählungen, wieder ein
Stück und habe mehr Freude daran als von meinem letzten. Ob es besser
wird, weiss ich freilich noch nicht. Aber das Freude haben ist ja doch
das wichtigere.- In wenigen Tagen fahre ich wieder nach Wien zurück; viel
leicht erfreuen Sie mich bald wieder durch ein Wort, und wäre es auch
nur das eine "Gesundheit“
Ich grüsse Sie, hochverehrter Herr Brandes, in herzlichster
Ergebenheit.
Arthur Schnitzler