B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 34

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nicht zu verkennen.
Ich wünschte sehr zu erfahren, ob Sie von Ihrem im Felde
stehenden Schwiegersohn Gutes hören. Was uns bisher die Feldpost ge-
bracht hat, so weit es sich auf persönliche Bekannte und Freunde be-
zieht, ist vom beruhigender Art gewesen.
Vor Voraussagen wollen wir uns hüten; unsere Wünsche sind
zu selbstverständlich als dass wir sie erst aussprechen müssten. Und
doch, wieviel Unheil, nicht nur für Schuldige, sondern auch für Un-
schuldige flehen wir, nicht einmal ganz gedankenlos, durch unsere
Wünsche herab. Ja, nach den Einrichtungen dieser Welt ist sogar zu
befürchten, dass mancher von den Allerschuldigsten ganz ohne Strafe
ausgehen wird. Aber ziemt es sich denn in dieser überwältigend grauen-
haften Epoche derartige Worte wie Schuld, Strafe. Verantwortung, zu
gebrauchen. Alles Philosophische und Ethische verlischt im Sturmhauch
der Geschichte.
Bitte schreiben Sie mir bald wie es Ihnen geht. Meine Frau
und ich grüssen Sie herzlichst.
Ihr Arthur Schnitzler
(Ansichtskarte)
(Wien) 18.12.914.
Mein lieber und verehrter Freund, seien Sie zu den Feiertagen und
dem kommenden Jahr wieder einmal herzlichst gegrüsst. Heute
kommen besonders gute Nachrichten aus dem Nordosten - vielleicht
ist es mit all dem Graun doch früher zu Ende als wir gefürchtet.
Hier ist alles in schönster Ordnung, - und man ist voll Zuver-
sicht. Ein Wort von Ihnen xxx täte mir wohl! Wir alle denken Ihrer
in Freundschaft! Von Herzen
Arthur Schnitzler