B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 44

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Mutter. (Mein Sohn, bald zwanzig, ist für die nächste Sainson schon hier
am Raimundttheater engagiert; er studiert auch Philosophie an der Universität,
arbeitet auch theatergeschichtlich, macht "Inszenierungenläne, zeichnet u.
malt Figurinen, treibt viel Musik; meine Tochter, bald dreizehn, geht ins
Gymnasium); meine Sommerpläne sind noch etwas unsicher;- ich wünschte sehr,
nach ziemlich unruhigen und verwirrten Zeiten, ins geordnete Arbeiten zu
gelangen- und insbesondere ein Stück zu vollenden, dessen letzter Akt an
der dänischen Küste spielen soll. Ich baue dort ein köstliches Hotel hin wie
ich es seinerzeit am Völser Weiher (im weitenLand) gethan- mögen mir die
Gestalten auch so gelingen, wie das Hotel- es ist ersten Ranges.
Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und seien Sie von Herzen
gegrüsst. Von Ihren atheniensischen Abenteuern hatt ich hier schon in der
Zeitung gelesen. Mein Garten steht voll Rosen,- bin ich auch kein griechischer
Student- ich streue sie alle im Geiste auf Ihr theures Haupt! In Treue Ihr
Arthur Schnitzler
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Wien 25.12.22.
Lieber und verehrter Freund, für die Freude, die Sie mir durch die Ueber-
sendung Ihres Goethe Buchs bereitet haben, sag ich Ihnen innigsten Dank. Ich
lese es mit dem grössten Genuss- ich habe fast alle andre Lectüre unter-
brochen, da mein Antheil wie an dem Gegenstand so an dem Verfasser mit jedem
Absatz aufs neue angeragt und entzündet wird. Welche Klarheit, Einfachheit,
Lebendigkeit in der Behandlung jedes einzelnen Werkes und dieses ganzen
unvergleichlich reichen Daseins. Wenn ich nach einem Vergleieh suche, kann
ich wieder nur auf ein andres Buch von Ihnen zurückgreifen: auf Ihren
Shakespeare. Wie viel Altersreife war schon in dem früheren Buch,- wie viele
Jugendfrische ist in diesem neuen. Welchen Glanz breiten Sie über die Ober-
flächen; in welche Tiefe dringen Sie, ohne jemals dunkel zu werden, Kritische
Betrachtung, historischer Bericht, culturgeschichtliches Erfassen ergänzen
sich, fliessen zusammen, und das Ganze einer genialen Persönlichkeit steht
wohlbekannt und doch von einer leichten und starken Hand neu erschaffen,
in scharfen und hellen Linien da. Überall Goethe wie er war,- und überall
auch Brandes wie er ist - und noch lange bleiben möge? Dies mein Gruss,
lieber und verehrter Freund, und mein Wunsch zum neuen Jahr.- In Bewunderung
und Treue Ihr
Arthur Schnitzler