A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 37

Arthur Schnitzler
Tito: Gnädige Frau werden Ihre Wette gewinnen. Und wenn gnädge
Frau sonst noch etwas wünschen?
Anina: Nichts mehr.
Tito: Ich meine nur..
Anina (ungeduldig): Was willst du denn?
Tito: Wir haben hier im Hause auch noch andere Zimmer. Mit un¬
sichtbaren Türen. Wenn man an ihnen vorbeigeht, so merkt man nichts
Sie fallen unhörbar ins Schloß. Lnsere schönsten Zimmer.. mit den
breitesten Betten. Und Spiegel überall, sogar an der Decke.
Anina: Fragt' ich dich drum? — Wir sind hier ganz zufrieden,
Ich und Herr Bassi auch.
Tito: Ja, wenn es auf die Ehegatten ankäme
Anina: Willst du nicht endlich gehen? Da — (Gibt ihm wieder ein Goldstück.)
Tito: Wenn ich statt dieses letzten Goldstückes um einen Kuß bitten
dürfte
Anina: Du bist verrückt.
Tito: Das wäre wohl möglich, gnädige Frau, — und wahrhaftig kein
Wunder.
Anina (küßt ihn rasch): Da.
Tito: Ich fliege. (Ab.)
Anina (allein): Was wird aus mir? Was ward ans mir? (Es klopft links.)
Wer ist's?
Flaminia (im Nebenzimmer): Ich bin's, Flaminia.
Anina:
Ja, ich öffne gleich.
(Sie schließt die Türe links auf, die versperrt war.)
Anina - Flaminia.
Flaminia: Schon angekleidet —? Guten Morgen, Liebste
So früh? Ich bin noch nackt. Ja, seh'n Sie nur.
(Sie lüftet ihr Kleid.)
War’s unbescheiden, daß ich einfach klopfte?
Da wir doch Nachbarn sind
(blickt um sich) Dies Zimmer hab' ich
Auch einmal schon bewohnt. Ja, ich erkenn' es.
Drei Tage nur. Im Herbst. Wir mußten heizen.
O, Kälte hass' ich. Denken Sie, ich sah
Den ersten Schnee als sechzehnjähriges Mädchen.
Denn in Palermo schneit es nie. Bei Ihnen
In Mantua
Anina:
Ferrara..
Flaminia:
Kommt's wohl vor?
Ja, ihr im Norden seid beinah' schon Deutsche.
(Beim Fenster.)
Ein wunderbarer Tag.
Anina:
Zu schön beinah'.
Ob kein Gewitter kommt —?
Die Schwestern
Da fing das Pharo
Flaminia:
Gleich nach der Tafel an. Gut für Herrn Bassi,
Wenn er so glücklich spielt wie gestern abend.
Anina: Sie nahmen teil?
Nein, Santis sagt' es mir.
Flaminia:
Anina: Auch er gewann?
Man zwingt das Schicksal nicht.
Flaminia:
So gab er's auf, kaum, daß das Spiel begonnen.
Auch liebt er's nicht, wenn wer am Tische sitzt,
Der schuldig bleibt, und wenn der böse Zahler
Zu allem Unglück Casanova heißt.
Anina: Ich glaubt’ ihn reich?
Reich, der? An Worten, ja,
Flaminia:
An Lügen. Glauben Sie vielleicht die Fabel,
Die er uns aufgetischt von seiner Flucht
Aus dem Gefängnis, drein der Hohe Rat
Venedigs ihn aus guten Gründen sperrte?
Dies Bohren, Sägen, Rutschen, Klettern, Schwimmen,
Und keiner hört ihn, keiner sieht ihn. keiner
Erkennt ihn, und im Mondenscheine sitzt er
Auf einem Dach und nimmt noch einen mit —?!
Zu albern ist's.
Anina: Doch er entkam.
Wer weiß.
Flaminia:
Er war vielleicht nie eingesperrt. Und wenn,
So saß er seine Strafe ab wie andre.
Und wenn er floh, wer sagt, daß es gelang?
Er stürzte ab vom Dach, ertrank
Und lebt...?
Anina (lachend):
Flaminia: Vielleicht auch nicht. Er muß es ja nicht sein.
Ein Schwindler.
Und der wahre Casanova?
Anina:
Flaminia: Entweder Casanova oder wahr.
Doch beides — nein!
Sie aber müßten's wissen,
Anina:
Da Sie ihn doch in früh'rer Zeit gekannt?
Flaminia: Gekannt? Gesehn. Gesprochen. Oder nein
Er sprach, nur er. Ich glaube, dieser Mensch
Hat keines andern Stimme je gehört.
Dreimal im Leben bin ich ihm begegnet,
Und jedesmal, kaum war der Gruß gewechselt,
Erzählt' er die Geschichte seiner Flucht,
Mit geichem Wort, mit gleichem Done fast.