A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 72

Arthur Schnitzler
So war's im vorigen Herbst, so vor zwei Jahren
Und auch vor sieben, als ich ihn in Rom,
Ein Kind beinah', zum ersten Male sah.
Anina: Das war doch, eh' er ins Gefängnis kam?
Flaminia: Nun sehn Sie, daß das Ganze nur erfunden.
Anina: Und doch, mir war's, Sie lauschten sehr gespannt.
Flaminia: Aus Neugier, Beste, ob er's nochmals wagt,
In meiner Gegenwart den alten Spaß
Uns aufzubinden, und ob sein Organ
Bei dem verruchten Wandel, den er führt,
Noch seiner Jugend Klang bewahrt, der einst,
So sagen sie, den Frau'n gefährlich war.
Anina: Nur einst?
Natürlich! Seine Zeit ist um
Flaminia:
Er kam allein hier an. Die letzte gab
In Brüssel ihm den Laufpaß vor drei Tagen.
Er selbst erzählt' es ja. Teresa heißt sie.
War Tänzerin. Ich sah sie selbst in Mailand.
Ein kleines rundes Ding. Und solch ein Näschen.
Für zehn Dukaten konnt' sie jeder haben,
Und wer ihr just gefiel, für zwei. Das nennt
Sich Tänzerin. Die Sängerinnen sind
Geradeso. Triumphe Casanovas!
Nun ist sie ihm davongetanzt, vielmehr
Davongerollt -- denn einer Kugel gleicht sie
Und Casanova weint ihr nach.
Von Tränen
Anina:
Gewahrt' ich gestern nichts in seinen Augen.
Er schien mir fröhlich, strahlend war sein Blick.
Flaminia: Sie sahn ihn nicht zu seiner guten Zeit.
Heut ist er eine Trauerweide nur.
Anina (wie bedauernd): Und noch so jung
Flaminia:
Teessa wird wohl wissen,
Warum sie ihn verließ. Und wir verschwenden
An einen Schatten zuviel Worte schon.
Sie sind allein? Herr Bassi ausgegangen?
So wett' ich, daß er alle Läden abläuft
Nach einer Perlenschnur, die seines Reichtums
Und Ihres schönen Nackens würdig wäre.
Anina: Er ist nicht reich.
Flaminia:
Heut ist er's. Und ich hoffe,
Sie sind so klug, der Stunde Glück zu nützen.
Die Schwestern
(Auf ihre eigene Schnur deutend:)
Dies ist uns sicher, wenn der Karte Laune
Sich wieder gegen den Gebieter wendet.
Sie lächeln trüb? Wie, wär' er etwa geizig?
Anina: Wahrlich, das ist er nicht. Doch weiß er wohl:
Mein Herz hängt nicht an Schmuck. Und wenn er fortging,
So ist's: nach seiner Art in Einsamkeit
Durchs Feld und über Wiesen zu spazieren.
Flaminia: Ach so, ein Philosoph, eim Dichter gar?
So sieht er aus. Die Stirn in ernsten Falten,
Verwirrt das krause Haar, doch wohlgepflegt,
Vornehm die Tracht, doch ihrer wenig achtend,
Das Aug' verschleiert, doch es kann auch glühn...
Ein hübscher Mensch, sein Name auch... (träumerisch) Andrea...
Wie lang schon reisen Sie mit ihm umher?
Anina: Drei Wochen, — (rasch) und wir werden uns vermählen.
Flaminia: So bald? Nun ja. Wir haben's auch getan.
Santis und ich. Ja, ich bin seine Frau.
Sie plaudern nicht, mein Kind, denn es gibt Männer,
Die schreckt das ab. Der erste, den ich liebte, —
(achselzuckend)
Man nennt's ja so! — ich war erst vierzehn Jahre,
Was weiß man da, — und wurde mein Gemahl!
Doch hab' ich's nicht bereut. Es lebt und reist sich
Doch sichrer in so ständiger Begleitung.
Man kennt einander, und das ist was wert.
Sie werden sehn, mein Kind, — wenn Ihr Geschick
Sich meinem ähnlich wendet, wie ich ahne.
Und warum nicht? — Der Wirt — was meinen Sie? —
Für Schwestern hielt er uns
Wahrhaftig
Anina (fast erschrocken):
Flaminia:
Natürlich Sie für meine jüngere. Nun,
Ich ließ ihn gern dabei, so herzlich fühl' ich
Mich Ihnen zugetan. Ist's nicht, als kennte
Man sich seit Jahren? Daß an Ihrem Wagen
Im Wäldchen just vor Spa ein Rad zerbrach,
Und Sie den unsern teilen mußten, seh' ich
Als Zufall nicht, als Fügung seh' ich's an.
Anina: Als Fügung gar —?
Auch Santis nahm es so.
Flaminia:
Erst heute sagt er: Wenn zwei Paare sich
Wie ich und du, und Bassi mit der Seinen
Präs. GE.
18 AUG.