A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 79

Arthur Schnitzler
Casanova:
Sie werden gleich verstehn.
Nur bitte, schließen Sie das Fenster erst.
Andrea (schließt das Fenster).
Casansva verneigt sich dankend, tritt nach vorn):
Nun, mein Ersuchen, das — ich leugn' es nicht
Nach vierundzwanzigstündiger Bekanntschaft
Verwegen schiene — ständ’ ich Ihnen nicht
Nach eigenem Gefühl als Freund genüber
Und wie gebotne Hand den Gegendruck,
So fordert Freundschaft Freundsthaft zum Entgelt
(Er streckt ihm die Hand hin.)
Andrea (ergreift sie zögernd und läßt sie gleich wieder los).
Casanova: Auch daß ich Sie Kollegen heißen darf
Andrea: Sie sind Student?
Casanova: Ich war's. Ich bin's. Und glaube
In höherm Sinne werd' ich's immer sein.
Andrea : Student der Rechte —?
Casanova:
Und Philosophie.
Zwar nach den Regeln nicht, jedoch mit Eifer.
Andrea: Sie weilten an der Schule von Bologna?
Casanova: Von Padua. Doch war’s mir nicht gegönnt,
Vom Born der Weisheit recht nach Lust zu trinken.
Denn halb aus Laune, halb zum Unterhalt
Spielt' ich des Abends im Orchester mit.
Andrea: Die Geige?
Casanova:
Ja. Und Sie sind Flötenbläser?
Andrea (etwas befremdet): Wie kommen Sie darauf?
Casanova:
Der Lippen leicht
Geschwungne Form verrät's dem Kenner gleich.
Sie lieben die Musik?
Andrea (ablehnend): Wer liebt sie nicht?
Casanova: Sehr wahr. (Beginnt zu deklamieren.)
O, Himmelstochter, die von Sternen
Zu Sternen schwebt —
Andrea:
Wie meinen Sie?
Casanova (lächelnd):
's ist nur
Der Anfang einer Ode.
Andrea:
Von —?
Casanova:
Von mir.
Andrea: Sie machen Verse?
Casanova:
Nicht der Rede wert.
Da plaudri ich nun, dieweil mir unterm Fuß
Der Boden brennt. Zur Sache denn Herr Bassi-
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Die Schwestern
(Rasch.)
Ich reise ab. Ich muß. Aus trift'gen Gründen.
Und zwar sofort. Und mir liegt viel daran,
Herrn von Gudar, was ich ihm schuldig bin,
El' ich den Ort verlasse, rückzustatten.
Er ist nicht reich. Sie sind's und hatten gestern
Viel Glück im Spiel. And also bitt' ich Sie
Ein Edelmann den andern —, mir zu leihn,
Was ich an ihn, was er an Sie verlor —
Und was ihm viel, was Ihnen nichts bedeutet.
Andrea (höhnisch): Ihr Ernst, Herr Casanova
Casanova:
Meine Späße
Sind witz'ger.
Andrea wie oben): And Sie könnten glauben -
Casanova (sachlich).
Tausend
Dukaten rund. Es bleibt ein Überschuß,
So wenig Sie auf solchen Bettel anstehn,
Von fünfzig, den ich Ihnen bar bezahlte.
Den Wechsel, fällig binnen dreißig Tagen,
Hab' ich schon-ausgestellt. Hier «auf die Unterschrift deutend»: „Casanova“
Mein Namenszug. Ich schwöre, daß er echt.
Andrea : Doch ausgestellt auf wen?
Casanova:
Auf mich natürlich.
Wem trau' ich sonst? Obzwar — Lausin in Brüssel,
Auch Herr Raspetti, der Bankier in Mailand -
Von andern zu geschweigen — löst ihn ein.
Doch wünscht' ich's nicht; mir wär' es eine Ehre,
Mit Zinseszins nach abgelaufner Frist
Persönlich Ihnen meine Schuld zu zahlen.
Andrea (den Wechsel betrachtend):
In dreißig Tagen..
Casanova:
Ja, hier steht's geschrieben-
Doch schließ' ich zeitigern Termin nicht aus.
Andrea: Und wie — verzeihn Sie, ich bin nicht vertraut —
Mit Geldgeschäften —
Casanova:
Unter Ehrenmännern
Genügte wohl das Wort.
Andrea:
Gewiß. Jedoch
Casanova: Sie wollen Sicherheit. Das muß ich loben.
Ich gebe sie und zehnfach für einmal.
Der Wechsel wäre eins. Zum zweiten trag' ich
Den Namen Casanova. Doch Sie fragen,
Wo nimmt so rasch er die Dukaten her?