A115: Konvolut Zeitungsausschnitte, Seite 5

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293. Sitzung der XI. Session am 18. Mai 1894.
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die Professor v. Philippovich auch in der Zuschrift an Gewerke. Nein, ein Stocke, wie ihn das Ostrauer
die „Neue Freie Presse“ benützt hat, die zugleich hier Revier früher nie gesehen hatte, war nothwendig; um
in diesem Artikel abgedruckt erscheinen. Der Bericht die „Freiheit der Arbeit“ zu schützen, wurde Militär
der Handels- und Gewerbekammer in Brünn sagt auf requirirt und Ostrau glich damals einem Kriegslager
in feindlichem Land; und weil das Gehirn der Gruben¬
„Die Leistungsfähigkeit der Rossitzer Bergarbeiter besitzer und Grubenbeamten zu klein war, um die
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ist in den letzten fünf Jahren bei um 15 Procent Lehren der Wissenschaft zu verstehen, musste Prole
reducirter Arbeitszeit um 8°5 Procent, beziehungs¬ tarierblut fließen — wie heute.
So wie heute wieder! Sehen Sie, diese Thatsachen,
weise um 1·25 Procent gestiegen, wie dies die nach¬
die hier in Bezug auf den Bergbau und die Bergproduc¬
folgenden Ziffern beweisen.
Nun haben Sie die Ziffern für die Arbeitszeit, tion sehr klar sind, sind ein allgemeineres Ergebnis der
durchschnittlich des Kohlenhäuers per Schicht u. s. w. Wissenschaft seit Jahren in Bezug auf die production
und die Löhne. Man sollte nun also glauben, dass überhaupt
Als letztes Citat werde ich mir erlauben, eine
solche officielle Angaben einer Handels- und Gewerbe
kammer einiges Gewicht für die Unternehmer hätten. Stelle aus einer Schrift zu citiren, welche allerdings
Allein während die Leute sonst früher sagten: Ja, in vor Jahren geschrieben ist, welche aber deswegen bei
England oder irgendwo anders ist es möglich, bei uns Ihnen in gutem Credit stehen wird, weil der Verfasser
nicht; so wird jetzt, wo nachgewiesen ist, dass es da der jetzige Finanzminister ist. In der Broschüre „Die
auch möglich ist, gesagt: Ja, in Steiermark, aber englische Fabriksgesetzgebung“ spricht er — und das,
in Mähren nicht; wenn man aber nachweist, dass es was er sagt, ist vollständig richtig und ich stimme mit
in Rossitz möglich ist, sagt man, ja in Rossitz, aber ihm einmal ausnahmsweise überein (Heiterkeit) —
nicht in Mährisch=Ostrau. Da ist nun in der letzten von dem englischen Kampfe um Verkürzung der Arbeits¬
Zeit der erste Theil des ersten Bandes eines außer¬ zeit, eines der interessantesten Capitel der Culturent¬
ordentlich instructiven und wichtigen Werkes erschienen wirklung der Menschheit, und sagt, als damals dieser
dessen Fortsetzung wohl hoffentlich recht bald folgen! Kampf durchgeführt wurde, da — jetzt citire ich wört¬
wird — wie express zu dieser Gelegenheit. Das Werklich — (liest): „zeigte es sich bald, dass die bloße
heißt: „Die Arbeiter des mährisch=schlesischen Stein¬ Ausdehnung der Arbeitszeit eines Arbeiters nicht
kohlenrevieres. social=statistische Untersuchungen von gleichbedeutend mit der Vermehrung seiner Leistungs¬
Dr. Benno Karpeles.“ (I. Band, 1. Theil, Leipzig, sähigkeit sei; die Arbeiter, namentlich die jüngeren,
welche nicht mehr durch die übergroße körperliche
Dunker und Humblot, 1894.
Das ist nun eine Arbeit, die auf Grund streng Anstrengung ermüdet waren, stellten in der kürzeren
wissenschaftlicher Methode nur mit den Angaben der Zeit dasselbe und häufig sogar ein größeres Pro¬
Unternehmer operirt und in gar keiner Weise etwa die ductenquantum her, wozu sie wegen der fast allge
Angaben von Arbeitern auch nur heranzieht; lauter meinen Form des Stücklohnes ein besonderes Inter¬
authentische Lohnzettel, lauter Angaben der Werk- und esse hatten, und allmählich gaben selbst die Unter¬
nehmer zu, dass die früher für unentbehrlich gehalte-
Grubenbesitzer sind hier benützt.
Von dem zweiten Theile des ersten Bandes hat nen letzten zwei Stunden gewöhnlich weit schlechtere
die „Arbeiterzeitung“ von der Verlagsbuchhandlung Arbeit als die ihnen vorausgehenden Arbeitsstunden
den Aushängebogen bekommen und da finden wir lieferten, und daß die ununterbrochene regelmäßige
wieder höchst interessante Ziffern. Da finden Sie Arbeit des neuen Arbeitstages wegen des intensiven
Zahlen, ich will Sie damit nicht behelligen, weil Fleißes der Arbeiter für die Unternehmung vortheil¬
Zahlen vorgelesen wenig statistisch sind — (liest): hafter sei, als der bisherige lange Arbeitstag mit
„dass in allen Gruppen unmittelbar nach Herabsetzung abwechselnder Überarbeit und Lässigkeit“,
Man muss der „Arbeiter-Zeitung" nur bei¬
der Arbeitszeit um zwei Stunden (= 16⅜ Procent)
die Arbeitsleistung gestiegen ist von 100 auf 107, stimmen, wenn sie hinzufügt (liest): „Unserem Herrn
respective 103 und 109, dass die Arbeitsleistungen Finanzminister sind ja die Wege zu Baron Roth¬
trotz unveränderter Arbeitszeit in den Jahren 1887 schild, dem größten Gewerke des Reviers, nicht fremd.
bis 1889 gesunken sind (von 100 im Jahre 1887 auf (Heiterkeit und Sehr gut!) Möge er doch versuchen,
84, respective 94 und 87 im Jahre 1889) und dass seine Kenntnisse an dem richtigen Orte anzubringen.
erst nach der Reduction der Arbeitszeit erhöhte Leistungen (Sehr gut!) Es ist auch gerade jetzt, wenn irgend¬
dauernd erzielt werden konnten. Von 100 im Jahre wann, die Gelegenheit eine dringliche und ich möchte
1889 stieg die Leistung des Häuers in um 16¾ Procent beinahe sagen, eine aufdringliche für die Parlamente
verkürzter Arbeitszeit auf 111'45 respective 122 47 der civilisirten Staaten, sich endlich mit der Frage des
und 124'55! Die Herabsetzung der Schichtdauer, Achtstundentages für den Bergbau zu beschäftigen.
Sie wissen, in England ist ein bezüglicher Gesetz¬
diese, wie sich also zeigt, für die Unternehmer so vor
theihafte Maßregel, entsprach aber durchaus nicht etwa entwurf bereits angenommen und es ist zu vermuthen,
der wirtschaftlichen und socialpolitischen Einsicht der dass er auch schließlich zum Gesetz werden wird. Sie
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Haus der Abgeordneten. — 293. Sitzung der XI. Session am 18. Mai 1894.
Ich glaube, dass es für Österreich, im rein
wissen, dass die gesammte Bergarbeiterschaft der Welt
sich in erster Linie mit dem Achtstundentag beschäftigt. patriotischen Sinne gesprochen, gewiss ehrenvoll
Sie haben auch gewiss von dem Beschlusse gelesen, wäre, wenn in dieser Frage unser Land einmal voran¬
den gestern der Bergarbeitertag in Berlin gefasst hat, gehen würde. Das scheint aber für manche ein un¬
wo hauptsächlich Engländer und Deutsche und auch erträglicher Gedanke zu sein und daher verschanzen sie
Franzosen in größerer Anzahl vertreten waren. Sie sich hinter allen möglichen Besorgnissen. Es kann also
sehen, dass mit überwältigender Mehrheit der Acht¬ gar kein Zweifel sein, daß diese Frage eine etwas
stundentag gefordert wird und dass die einzigen, expeditivere Behandlung verdient, als allgemein ange¬
welche noch Stimmen dagegen liefern, aus jenem nommen wird.
Das war der Grund, weshalb ich den Antrag
Lande stammen, wo allerdings der Gedanke einer
gesetzlichen Feststellung lange Zeit nicht durchringen eingebracht habe und schon scheint es, dass das Ein¬
konnte, und zwar aus dem Grunde, der für die Ge¬ bringen des Antrages die führenden Parteien des
schichte Englands sehr ehrenvoll ist, weil dort ein Hauses dazu veranlasste, den Gedanken zu erwägen,
stark entwickeltes individualgesühl vorherrscht, welches ob man nicht eine Enquete einberufen soll. Ich werde
die Arbeiter lange davon zurückgehalten hat, den als ganz bescheidener Parlamentarier — wir wissen
Staat überhaupt in ihre Thätigkeit eingreifen zu ja, seit wir es von Herrn Dr. Russ gehört haben,
lassen. Aber auch dieses specifisch persönliche Gefühl dass wir keine englischen Parlamentarier sind -
schwindet gegenüber der großen, socialpolitischen Noth¬ ganz zufrieden sein, wenn diese meine Action auch nur
wendigkeit immer mehr; während in früheren Jahren diesen Erfolg hat.
Diesen Erfolg möchte ich allerdings dadurch ver¬
die Zahl der Bergarbeiter, welche gegen die gesetzliche
Festlegung des Achtstundentages waren, eine erhebliche stärken, daß ich die öffentliche Aufmerksamkeit von einer
war, schmilzt dieselbe in den letzten Jahren bedeutend Stelle aus errege, wo das am wirksamsten geschehen
zusammen. Es ist auch zweifellos, dass diese Frage in kann. Das sind die Motive, die mich leiten.
Es hat dem Herrn Ackerbauminister gestern in
der nächsten Zeit mehr; als bisher — und sie hat
seiner Rede auch gefallen, mich als eine Art von wüstem
bisher immer die Aufmerksamkeit sehr beschäftigt -
das allgemeine öffentliche Interesse auf sich lenken wird, Agitator hinzustellen. Ich habe vor einem Jahre
und zwar aus dem einfachen Grunde, der hier schon schon in einer Angelegenheit der Pribramer Berg
in der vor einer Woche abgeführten Debatte erwähnt arbeiter, als mir dieselben geschrieben hatten, mit
wurde, weil bei keiner anderen Art der Beschäftigung dem Herrn Minister verhandelt. Mit Bergarbeiter¬
der Gegensatz zwischen der harten Arbeit, der völlig sagitationen habe ich bis zu meiner Reise nach Falkenau
den Menschen aufreibenden, der physisch erdrückenden gar nichts zu thun gehabt. Er ist also sehr schlecht
Arbeit einerseits und der Menge von Gewinst unterrichtet, wenn er glaubt, dass ich speciell in der
anderseits so sehr in die Augen springt, als dass es Bergarbeiterschaft agitirt habe. Er ist nicht nur schlecht
nicht jeden, ich möchte sagen, anständigen Menschen unterrichtet, sondern entbehrt auch, wie mir scheint,
dazu bringen sollte, den Bestrebungen nach einer der nöthigen Einsicht in die Dinge, wenn er mir etwa,
menschenwürdigeren Gestaltung der Arbeiterschaft im wenn auch nur in hypothetischer Form, unterstellen
Bergbaue Sympathien und womöglich werkthätige wollte, dass ich aus persönlichen oder eigennützigen
Sympathien entgegenzubringen. Nun hätten wir es Gründen diese „wüste Agitation“ entfalte. Wenn man
in Österreich, wenn nämlich der Herr Ackerbauminister so etwas von jemand behauptet, so muss man doch
Recht hat, leichter als alle anderen Länder, denn er I den Schein eines. Beweises oder man muss irgend
hat gestern erzählt, dass drei Viertel der Betriebe in seinen Grund haben, und das kann ich wohl sagen:
Österreich den Achtstundentag haben, und wenn er Wer in Österreigh meine politische Thätigkeit verfolgt
dabei gemeint hat, das sei so Praxis, aber gesetzlich hat, der kann alles finden, nur nicht, dass ich etwa in
sei es nicht, so gilt für unser Land nicht; was für eigennütziger oder persönlicher Absicht mein Mandat
England gilt. Denn, dass die Meinung des Herrn verwaltet hätte. Es ist auch nicht gut, wenn ein Herr
Ackerb uministers ein Ausbruch eines starken Indi¬ Minister dergleichen von der Ministerbank einem
vidualgefühles ist, welches sich den Druck des Acht¬ Abgeordneten sagt. Was würde der Herr Minister
stundentages nicht gefallen lassen will, kann man doch sagen, wenn ihm jemand zumuthen würde, er sitze nicht
auf der Bank dort, als einer, der sich dessen bewusst
nicht sagen.
Wenn wir also in Österreich in einer so großen sei, dass er zum Besten des Volkes wirken könne,
Zahl von Bergwerken und hauptsächlich in ärarischen sondern als einer, der diesen Platz aus eigen¬
den Achtstundentag haben, dann wird es uns ja sehr nütziger Absicht einnimmt? (Heiterkeit und Sehr gut!)
Es wäre ja ganz dasselbe. Es wär auch damit
leicht sein, den Schritt zu machen, der gemacht werden
muss und gemacht werden wird in allen civilisirten nichts gesagt. Dergleichen Dinge muss man erhärten
Ländern. Daher ist es bei uns besonders an der Zeit, können; man muss einen Anhaltspunkt dafür geben
die Sache etwas rascher und dringlicher zu behandeln können. Das ist doch zweifellos, dass ich, sei mein
politische Begabung welcher Art immer, sie, wenn ich
als die anderen Angelegenheiten.