30/I. 94.
Geschichte von einer verrückten Dame.
"Man lernt nie aus", sagte neulich Herr Paul Weidmann im
Kaffeehaus, während er seinen Ueberzieher dem Kellner gab.
Dann setzte er sich an den Tisch zu mir und liess sich ei¬
nen Cognae geben.
"Warum sagen Sie mir das?“ fragte ich ihn und legte höf-
lich die Zeitung weg.
"Ich sage Ihnen das desshalb, weil Sie sich gewiss auch
einbilden, dass Sie die Weiber bis auf den Grund kennen,
und weil man in dieser Beziehung doch noch immer etwas Un-
erwartetes und Unerhörtes zu erleben hat.
Paul! hat mich stets seines Vertrauens gewürdigt. Sehen
hundert Liebesgeschichten hab ich von ihm angehört; ich
bin daran gewöhnt.
„Erzählen Sie“, sagte dik.
"Warum", begann er, "haben wir jungen Leute eine so beson-
dere Vorliebe für verheiratete Frauen?
Neun", sagte ich, in der Absicht, ihn zu beleidigen, "weil
es die bequemsten und sichersten Verhältnisse sind.
"Ganz richtig", sagte er so befriedigt, als hätte ich ihm
eine Schmeiehelei gesagt. "Denn dass bei einer verheira-
teten Frau die Eitelkeit stärker befriedigt sein sollte
als in einem anderen Falle, seh' ich nicht ein. Insbesen-
Geschichte von einer verrückten Dame.
"Man lernt nie aus", sagte neulich Herr Paul Weidmann im
Kaffeehaus, während er seinen Ueberzieher dem Kellner gab.
Dann setzte er sich an den Tisch zu mir und liess sich ei¬
nen Cognae geben.
"Warum sagen Sie mir das?“ fragte ich ihn und legte höf-
lich die Zeitung weg.
"Ich sage Ihnen das desshalb, weil Sie sich gewiss auch
einbilden, dass Sie die Weiber bis auf den Grund kennen,
und weil man in dieser Beziehung doch noch immer etwas Un-
erwartetes und Unerhörtes zu erleben hat.
Paul! hat mich stets seines Vertrauens gewürdigt. Sehen
hundert Liebesgeschichten hab ich von ihm angehört; ich
bin daran gewöhnt.
„Erzählen Sie“, sagte dik.
"Warum", begann er, "haben wir jungen Leute eine so beson-
dere Vorliebe für verheiratete Frauen?
Neun", sagte ich, in der Absicht, ihn zu beleidigen, "weil
es die bequemsten und sichersten Verhältnisse sind.
"Ganz richtig", sagte er so befriedigt, als hätte ich ihm
eine Schmeiehelei gesagt. "Denn dass bei einer verheira-
teten Frau die Eitelkeit stärker befriedigt sein sollte
als in einem anderen Falle, seh' ich nicht ein. Insbesen-