A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 2

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reinstion
it.
Es klopfte; der Sektionsrat erwachte,und auf sein unwill-
kürliches "Herein" erschien ohneweiters der Kellner mit dem regel-
mässig für acht Uhr bestellten Frühstück in der Türe. Roberts erster
Gedanke war, dass er gestern Abend nun doch wieder vergessen hätte,
die Türe zu versperren; aber er hatte kaum Zeit einer Verstimmung
über dieses neuerliche Zeichen von Zesstreutheit nachzugeben, da
seine Aufmerksamkeit sofort durch die auf der Frühstückstasse ne-
ben Thee, Butter und Honig bereitliegenden Briefschaften in Anspruch
genommen wurde. Unter anderen,gleichgültigeren fand er ein Schrei-
ben seines Bruders vor, in dem dieser seiner Freude über das nahe
bevorstehende Wiedersehen Ausdruck gab und nach Mitteilung unwe-
sentlicher Familienneuigkeiten mit einer nicht unabsichtlichen Bei-
läufigkeit seiner kürzlich erfolgten Ernennung zum ausserordentli-
chen Professor Erwähnung tat. Robert setzte eine herzliche Glück-
wunschdepesche auf und liess sie ohne Verzug zum Amt befördern.
Wenn auch Berufspflichten und andere Lebensumstände den persönli-
chen Verkehr zwischen den Brüdern oft für Tage und Wochen zu unter-
brechen pflegten,es kam doch immer wieder ein Ereignis,das - oft
gerade in seiner Geringfügigkeit - sie beide ihre Zusammengehörig-
keit als unzweifelhaft und unauflöslich empfinden liess. Dem jün-
geren Bruder zumal wollten bei solchen Gelegenheiten alle anderen
abgelaufenen und noch bestehenden Beziehungen seines Lebens, Sogar
seine frühe Ehe mit einer trefflichen, nun längst verstorbenen Frau,
als solche von geringeren Rang erscheinen, und immer mehr glaubte
er das Verhältnis von Bruder zu Bruder nicht nur für sich als