Bisher unveröffentlicht
Briefe an eine Unbekannte
von
Arthur Schnitzler
( 1881/83)
Kankts
nachts, vom 22.zum 23.April 1881
An.................
Seltsamer Brief, von dem der Schreiber im Voraus weiss, er
werde nie an seine Adresse gelangen. Ich liebe dich - nun weiss ich
es ganz bestimmt, ich liebe dich......da lässt sich nun einmal nichts
ändern.-
Ich wandelte durch die Stadt an der Seite eines liebenswürdigen
geistreichen Freundes in tiefer einsamer Nacht und wir schimpften beide
weidlich über Welt und Menschen und daheim - ja mir war das Weinen nahe -
so stand das Elend des Lebens vor meinen Augen - und auch das Lachen
markaum zu verbeissen von wegen der unendlichen Torheit. - Aber ich
liebe dich - das bleibt wahr - und kann dir's nicht sagen! Sie ist
deine Freundin - ich dein Freund, du liebtest mit uns, freutest dich
mit uns und du glaubst jetzt noch, als liebt' ich jenes Mädchen noch
immer.- Und sagt' ich dir nun: ich liebe dich - du würdest lachen, und
rief' ich leidenschaftlicher glühender: ich liebe dich - du würdest dich
was recht's wundern über die verrückten Einfälle der sonderbaren
Menschen und, den stillen freundschaftlichen Blick auf mich
gerichtet, sagen: das sind wieder ganz Sie! - Ich bin nie ganz Ich,
meine Allverehrteste, ich nehme meine Wesenheit aus allen Ecken und
Enden, schlürfe sie zusammen aus allen Quellen der Natur, pflücke sie
von allen Bäumen, wie man süsse und säure Früchte im ergiebigen (?)
Herbst herabschüttelt ins irdene Gefäss.- Du würdest meiner Seele
wohltun, unsäglich wohl - denn ich brauche tiefe süsse innige Güte -
aber leb wohl —. leb Wohl: denn ich würde deiner Seele nicht wohltun.- -
..............
Abends, den 6.Mai 1881.
Und wieder eil' ich in deine Nähe, da es stets leerer wird rings-
um.- Wozu ich lebe? Ist's mir nicht oft als wär' es wirklich nur deinet-
Briefe an eine Unbekannte
von
Arthur Schnitzler
( 1881/83)
Kankts
nachts, vom 22.zum 23.April 1881
An.................
Seltsamer Brief, von dem der Schreiber im Voraus weiss, er
werde nie an seine Adresse gelangen. Ich liebe dich - nun weiss ich
es ganz bestimmt, ich liebe dich......da lässt sich nun einmal nichts
ändern.-
Ich wandelte durch die Stadt an der Seite eines liebenswürdigen
geistreichen Freundes in tiefer einsamer Nacht und wir schimpften beide
weidlich über Welt und Menschen und daheim - ja mir war das Weinen nahe -
so stand das Elend des Lebens vor meinen Augen - und auch das Lachen
markaum zu verbeissen von wegen der unendlichen Torheit. - Aber ich
liebe dich - das bleibt wahr - und kann dir's nicht sagen! Sie ist
deine Freundin - ich dein Freund, du liebtest mit uns, freutest dich
mit uns und du glaubst jetzt noch, als liebt' ich jenes Mädchen noch
immer.- Und sagt' ich dir nun: ich liebe dich - du würdest lachen, und
rief' ich leidenschaftlicher glühender: ich liebe dich - du würdest dich
was recht's wundern über die verrückten Einfälle der sonderbaren
Menschen und, den stillen freundschaftlichen Blick auf mich
gerichtet, sagen: das sind wieder ganz Sie! - Ich bin nie ganz Ich,
meine Allverehrteste, ich nehme meine Wesenheit aus allen Ecken und
Enden, schlürfe sie zusammen aus allen Quellen der Natur, pflücke sie
von allen Bäumen, wie man süsse und säure Früchte im ergiebigen (?)
Herbst herabschüttelt ins irdene Gefäss.- Du würdest meiner Seele
wohltun, unsäglich wohl - denn ich brauche tiefe süsse innige Güte -
aber leb wohl —. leb Wohl: denn ich würde deiner Seele nicht wohltun.- -
..............
Abends, den 6.Mai 1881.
Und wieder eil' ich in deine Nähe, da es stets leerer wird rings-
um.- Wozu ich lebe? Ist's mir nicht oft als wär' es wirklich nur deinet-