A229: Die Mörderin, Seite 8

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8 —
So, hat er versprochen. Das haben wir auch schon manchmal
Elisa:
erlebt, dass uns was verspréchen wurde.
Wir erwarten in diesen Tagen einen Brief. Es ist nämlich
Marie:
ein Bruder meiner verstorbenen Mutter.
Und nehmen wir nun einmal den Fall, Fräulein Marie, Karl
Elisa:
bekäme schon so eine Stellung und müsste nicht alle Viertel-
oder Halbejahr sich um was Neues umsehen und man könnte jeden
Mittag was Warmes essen, um was wär' man dann schon weiter?
Ich glaube doch, Frau Elisa.
Marie:
Ja, wenn Karl für sich allein wäre, aber mit einer Frau- und
Elisa:
gar mit einer Frau, wie ich eine bin.
Warum wie Sie eine sind? Sie haben doch sein Wanderleben schon
Marie:
manches Jahr geteilt.
Ja, das hab ich getan! Vier volle Jahre geht das schon. Aber
Elisa:
wie satt ich dieses Wanderleben bin, das weiss kein Mensch.
Was Sie heute nur haben, Frau Elisa.
Marie?
Nun, was hab ich denn? Manchmal kommt's eben über einen. Es ist
Elisa:
mir freilich nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich mit
sechsundzwanzig Jahren so eine Existenz führen werde; nicht um
ein Haar besser als irgend eine gemeine Arbeitersfrau. Im vori-
gen Jahr ist es uns ja besser gegangen. Bei der Tauernbahn war
die Bezahlung beinahe doppelt so gross. Aber im Winter haben wir
gehungert! Und die letzten Monate hier in dem Nest - trotz der
guten Behandlung hier im Hause, für die wir natürlich ewig
dankbar sein werden-
So habe ich Sie ja nie gesehen, Frau Elisa.
Marie:
Einmal redt man sich halt von der Seele. Nein, es ist kein
Elisa: