A233: Nachahmenswerther Entschluß eines Wiener Autors, Seite 1

Nachahmenswerter Entschluss eines Wienef Autors
von
Arthur Schnitzler
(aus dem Nachlass)
(22.I.1913.)
A.S.der Verfasser des "Jungen Medardus:, des "Weiten Landes" und
des "Professor Bernhardi" hat, wie wir hören die bestimmte Absicht
diese seine letzten drei Stücke im Sinne der Bedenken und Einwendungen
der Kritik einer Umarbeitung zu unterziehen. A!S. war so liebenswürdig
einem unserer Mitarbeiter einige nähere Aufschlüsse über sein interessan-
tes Vorhaben zu erteilen.
Der dramatischen Historie "Der junge Medardus" hat man bekannt-
lich vielfach den Vorwurf gemacht, dass zu ihrer Aufführung eine über-
grosse Anzahl von Schauspielern, Kostümen und Dekorationen notwendig sei
und dass sie dadurch gewissermassen in die Kategorie der Ausstattungs-
stücke rangiere. Überdies hat die beträchtliche Länge des Stückes Anstoss
erregt, einen umso berechtigteren, als das Publikum sich durch die ziem-
lich spannende Handlung meist bis zum Schluss der Vorstellung festhalten
liess. Nun gedenkt der 6 Autor mit einem kühnen Schnitt sämtliche Szenen
bis auf die letzte zu eliminieren. Diese spielt im Kerker und sie beginnt
in der neuen Fassung während Medardus, was nach den Aufregungen der worher-
gegangenen Tage kein Wunder scheint, noch in so tiefen Schlafe liegt,
dass er erst durch ein Gespräch zwischen Etzelt und dem Kerkermeister er-
weckt wird. Aus dieser Unterredung erfährt der Zuschauer, alles das, was
bisher in 16 endlosen Bildern dargestellt wurde. Wenn Medardus erwacht,
geht die Szene in bekannter Weise weiter, nur dass General Rapp nicht
in einer glänzenden auf die Schaupust der Menge spekulierenden Prachtuni-
form erscheint, sondern in einfachen Morgenrock. Die Soldaten, die Medar-
dus zum Tode führen, werden nicht sichtbar, die Friedensglocken nicht hör-