A236: Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 66

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Frau Grinzinger: Und wenns tausendmal/von Adel sind, ich sag, sol-
che Leut sollt man einsperren. Sie sind halt doch nix besseres
als Mörder.
Schreubler: Na, Frau Grinzinger, nicht gar so scharf. Ich hab mir
sagen lassen, es gehn nicht alle ins Wasser.
Frau Föderl: Man hätt's nicht müssen so weit kommen lassen.
Wachshuber: Ja, schliesslich ein gewisser Unterschied muss auf-
recht erhalten werden, da kann man sagen, was man will. Ein
Prinz und eine Bürgerliche... es hätt nicht gut getan. Ich bitt
Sie, Frau Föderl, Sie würden sichs auch überlegen, eh Sie Ihre
Tochter....
Frau Föderl: Ich hab/ keine Tochter, Gottseidank, nur Sorge und
Schand hat man von ihnen.
Der uralte Herr (lest): Amalie Zitterbart geb. 12. Aug. 1780
gestorben 12. Aug. 1789. Achzig bis neunundachzig.. wie viel ist
das, Greterl...
Das kleine Mädchen: Neun...
Der uralte Herr: Die is gar nur neun Jahr alt geworden. Siext,
Greterl, brauchst Dir nix einzubilden. Das kann einer jeden
passieren. Neun Jahr und an ihrem Geburtstag auch noch. Merk
Dirs, Greterl!...
Man verweist ihn zur Ruhe, da die Konkukte schon ganz nahe
sind. Er verschwindet mit Greterl vom Friedhof.)
— (Die beiden Kondukte kommen. Von rechts, der eine Sarg von
sechs Trägern getragen, dahinter gehn der alte Herzog, gross
und schlank, blind, geführt von Assalagny, seinem Arzt. Dann
die Herzogin, weisshaarig, dann Desolteux, einfach; über vierzig,
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