A236: Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 72

ihn sehr. Auch Ihnen tut das Herz weh, Prinzessin.
Helene: Ja, das Herz tut mir weh, denn ich steh an seinem Grab.
Aber wie ich ihn leben sah, hat meinem Herzen noch schlimmer
weh getan. Oftmals, da wir beide noch Kinder waren und mitei-
nander spielten, hab ich mir ihn als Jüngling geträumt. Und
weisst Du, wie ich ihn vor mir sah? Den Degen Iocker in der
Scheide, lachen, wenn Frauen zu seinen Füssen weinten, und mit
leuchtenden Augen in seine grosse Zukunft schaun. - Und wie
kläglich hat es sich erfüllt! Seine Freude war abends im Mond-
schein spazieren zu wandeln, sanfte Melodien zu spielen auf
dem Spinett - und am Ende wird er närrisch über das erste
hübsche Gesicht, das ihm begegnet und vergisst seiner hohen
- Wenn er sie jemals geglaubt hat...
Sendung
Nerina: Gnädigste Prinzessin, man sagt...
Helene: Was sagt man, Nerina?
Nerina: Das junge Geschöpf wäre von dem Prinzen in der Hoffnung
gewesen.
Helene: Und was weiter? Es laufen mehr Kinder herum, die ihren Vater
nicht kennen und sind mehr Weiber ins Wasser gegangen, ohne
ihre Liebhaber mitzunehmen.
Nerina: Gewiss, hat er sie sehr geliebt.
Helene: Das ist es eben,
Nerina:
Prinzessin, wenn Gefühle in unserer Macht ständen...
Ja, Du weisst was davon zu erzählen...Stille, Nerina,
Helene:
keine nicht... Ich habe sein Grab gesehn zum ersten und zum
letztenmal - nun wollen wir gehn - (sie nimmt Blumen aus ihrem
Gürtel) Ruh in Frieden, lieber armer, törichter Bruder.
(Lässt die Blumen aufs Grab sinken.)
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