A240: Arbeiten über Schnitzler, Seite 82

V.ptorben und
In Arthur Echnitzler " Gang zum Weibes"
Ist es ein historisches Drama? Ein modernes Schauspiel
im distanzierenden Kostüm vergangener Zeit? Keines von beiden:
es ist ein spiel, ein Spiel in Masken an jener schwebenden Grenze
zwischen Realität und Märchen, wesenszugehörig diesem Dichter,in des-
sen Art die seiner Vaterstadt eigene enge Beziehung von Arzt
und Musiker zu produktiver Einheit geworden ist. Das scharfe klare
Auge des Arztes ist es, das die Menschen sieht; das Gesetz des Mu-
sikers, das sie bewegt, den Lauf des Geschehens rhythmisch regelnd.
Hier geht es nicht um Logik des naturalistischen Dramas,nicht um
das, was dort für Wirklichkeit, für Leben gilt; alles nur Gegenständ-
liche, der Stoff, die Handlung im engeren Sinne wird letzten Endes
belanglos, materielles Band, das das Spiel zusammenhält, nicht mehr.
Wert und Wirkung liegen in anderem Bereiche: in der Wahrheit des
Menschlichen,in der Harmonie des Formalen. So war es in jeder le-
bendigen Kunst; nur ärmere Zeiten wie die unsere,streben gerne im
rein Stofflichen, auf der untersten Stufe schon als bedeutend sich
zu erweisen, da fraglich scheint, ob es ihnen auf höheren beschieden
xsein möchte.
Dem Arzte, dem sachlich-liebevollen Betrachter mensch-
licher Seele ist gegeben unverwirrbar diagnostischen Blicks die
vielen Schichten zu durchdringen, die sich dem ursprünglichen Kern
und seiner reinen Ausbildung überlagert haben —tradition, Gewohn-
heit, Trägheit, Feigheit, Vorurteil, Lüge - und noch unter dem er -
stickenden Druck ihrer Last vermag er das wahre Wesen, die gerechte
Forderung auszuspielen. Solcherart durchleuchtet das letzte Stück
des Dichters ein Grundverhältnis des Lebens: die ideellen Ansprüche,
die an den Menschen als Glied einer Gemeinschaft, als Bürger eines
Staates gerichtet werden und den Grad ihrer Berechtigung. Nur zu
oft sieht man sich in diesem Bereiche der anspruchsvollen Herrschaft
Dit zu