B8: Beer-Hofmann, Richard 8.1 Abschrift Arthur Schnitzler an BH, Seite 47

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Wien, 26.9.95.
Lieber Richard, heute kam zugleich Ihre Karte vom 23.
und Ihr Brief vom 24. an. Ich sende also diese Zei-
len hier nach Gardone; warum schreiben Sie nicht, wo-
hin Sie von da aus gehen? Eben hat mir die Tragödin
telephonirt, es war heut Probe von Liebelei (statt
Don Carlos) von der ich nichts wusste, und sie über-
bot sich selbst an Liebenswürdigkeiten für mich,
mein Stück und ihre Rolle. Sie hat heute auf der
Probe einen "grossartigen" Erfolg gehabt, und na, und so
weiter. Ich denke, die Première wird am 7. ober 8. oder
9. sein. Dazu gibt man Giocosa, Rechte der Seele.
Für einen guten Sitz soll gesorgt sein.
Allmälig hab ich zu arbeiten angefangen. Begonnen
hab ich damit, dass ich ein Stück (Einakter) in
Versen, den ich vorigen Winter schrieb, in meinen
Schreibtisch vergrub,- wo er am tiefsten ist. Ich
hab manchmal die starke Empfindung, dass mir nie mehr
etwas gelingen wird - wie Ibsen und — Paul Lindau.-
Da die Läufigkeit der Frauen manchmal angenehm war
haben Sie wohl auch was „erlebt“... wenigstens An-
fänge. Da drin stecken ja die ganzen Erlebnisse, die
Schlüsse sind ja dieselben. (Anatol reibt sich die
Augen. Er schlummert sofort wieder ein. Bald schläfst
du... etc. siehe Hänsel u. Grethel) Ich beneide Sie
um die Natur. Es ist so schön jetzt und ich möcht
ganz wo anders sein. Neulich war ich in der Brühl.
Tini ist sehr stolz geworden. Auch war ein Jäger-
lieutenant draussen. Dem Hugo hab ich Ihre Kränkung
ausgerichtet,er ist auch gekränkt.
Wie weit ist der Liebling der Götter und hoffentlich
vieler Menschen? =
Leben Sie wohl und schreiben Sie mir. Samstag werde
ich wohl das Datum der Prem. definitiv kennen. Man
erkundigt sich immerfort und allseitig nach Ihnen,
was keine Brosamen, sondern naive Wahrheiten sind. Wa-
rum soll ichs Ihnen denn verschweigen? Dazu bin ich
nicht 999gradig genug.-Herzlichen Gruss,ich freu mich
schon sehr auf Sie. Ihr Arthur