B8: Beer-Hofmann, Richard 8.1 Abschrift Arthur Schnitzler an BH, Seite 65

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Paris,20.5.97.
Lieber Richard, die Pariser Tage - sie werden wahr-
scheinlich bald "sehr schön gewesen“ sein - nahen
ihrem Ende; Montag fahre ich nach London und bin
in den ersten Junitagen in Wien. Sie aber fahren be-
reits in den selben ersten Junitagen nach Ischl? Ich
werde Sie doch hoffentlich noch in Wien finden? Be-
ruhigen Sie mich darüber, indem Sie mir ein paar Zei-
len nach London schreiben. Meine Adresse ist sehr
complicirt: bei Felix Markbreiter London S E. Honor
Oak, Woodville Hall.-
Paul behauptet, so oft ich irgend ein Entzücken oder
eine Beffiedigung über irgend was hier äussere - und
es wimmelt von solchen Gelegenheiten, dass Sie ein-
mal geäussert, Paris hätte Ihnen nichts zu sagen.
Sie werden das einmal beschämt zurücknehmen. Sie
ahnen nicht,was Ihnen Paris alles zu sagen hätte
und wieviel Sie gerne antworten möchten. Die se Stadt
dampft von Cultur, und ich hab mich kaum über einen
Menschen können, der mir zufällig heute grad sagte,
er sei in Wien gewesen, denke gern dran zurück: c'est
une gentille petite ville. Man spürt auch etwas wah-
res in dieser Phraso: dass eigentlich die ganze Welt
in Paris enthalten sei;) man hat eine Ahnung von Un-
endlichkeit, in der man beinah so einsam sein könnte
wie in der Wüste. Wissen Sie, was mir eine grosse
Freude sein würde? einmal mit Ihnen hieher zu kom-
men - nicht ohne Ihnen das Versprechen abgenommen zu
haben, nicht bei jeder Auslage stehen zu bleiben.
Ich würde Sie aber nie an die Seine führen, wo an
den Quais auf den Steinbrüstungen Millonen Bücher
liegen.-Sie würden dazu allein zwanzig Jahre brau-
chen. Dort findet man, wie Sie gleich sehen werden,
alle Bücher der Welt; um mir eine Emotion zu ver-
schaffen, hab ich mit einer Verkäuferin um ein
Exemplar von "Mourir" "gefeilscht"
- das Luder hat's