B30: Ehrenstein, Albert, Seite 27

13. Juli 09.
Wien, XVI. Ottakringerstr. 114
Ehrender
Sehr geehrter Herr Doktor!
ihr freundlicher Brief gab mir gerade jetzt einigen Trost. Mein Geschichts¬
Déciter
Professor nämlich, mit einem ewigen Bronchialkatarrh behaftet
G.C.F.P.
und daher außerordentlich sekant, hat mir die Ehre erwiesen, mir
meine Dissertation zur gänzlichen Umarbeitung zurückzugeben.
hätte der gute Mann bei dieser Abweisung imponierendes
Sachverständnis dokumentiert, so wäre dawider wohl nichts
einzuwenden gewesen. Aber das war nicht allzusehr der Fall.
Eine übergroße und malitiöse Empfindlichkeit modernerem
und zugreisenderem Ausdruck und Satzbau gegenüber ver¬
führte ihn sogar dazu, mir saft auf jeder Seite Mängel
flilistischer Natur nachweisen zu wollen. Wozu erstens der
Verfasser des langweiligsten Napolsonbuches nicht das Recht
hatte, zweitens – und das ist die komische Seite des Affaire
habe ich einem galizischen Kollegen, der nicht gut Deutschkann,
seine Arbeit durchgesehen und die gröbsten Verstöße darin
korregiert. Bei dem hat der Hofrat merkwürdigerweise
wenig Stilwidrigkeiten zu registrieren gehabt. Warum?
Weil ich dem Polen den Trie angeraten hatte, dem Professor
von vornherein weiszumachen, er werde feine Dissertation
polnisch Drucken lassen. Da begann des Professors Eigen¬
liebe und Nationalgefühl zu funktionieren. Eine aus seinem,
einem deutschen Seminar hervorgegangene Abhandlung
sollte anderswo, in einer slawischen Sprache erscheinen?
Lieber veranlaßte er - was beabsichtigt war - die
Drucklegung des Mannskriptes in deutscher Sprache,
Doope
l'honneur de
P.T.A.O.XC.D.
Dr. A.M.F.P.
Dr. A.D.
G.H.F.P.