B39: Herzl, Theodor_75 Arthur Schnitzler an Herzl, Abschrift, Seite 56

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Wien, 30.6.95.
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Lieber Freund,
die wunderschöne Stimmung, von der Ihr Gedankenleben jetzt erfüllt
und welche in Ihren Brief an mich überströmt ist, freut mich um
Ihres und um Ihres Werkes willen. Was ist es? Wieder ein Stück?
Wollen Sie mir auch das erste sagen, wenn wir uns, wie ich ja mit
Sicherheit erwarten darf, ihm Sommer treffen? Ich will Ihnen gleich
mittheilen, dass ich etwa Mitte Juli nach Ischl komme, nachher will ich
mir die böhmischen Bäder ansehen, die ich noch nicht kenne. Sie
erfahren noch ausführlicheres über meine Adresse; nach Wien können
Sie mir immer schreiben, da mir die Briefe nachgeschickt werden.
Ich selbst hoffe über den Sommer mit einem Stück zu Ende zu kommen,
von dem ein halber Akt fertig ist, dessen Plan aber bis ins Detail
daliegt. Auch kleineres hoffe ich zuwege zu bringen.-
Wie kommt es, dass die Prager Entscheidung so lang warten lässt?
Haben Sie Hoffnung? -
Bleiben Sie, mein lieber Freund,in Ihrer schaffensfreudigen Laune
und lassen Sie mich bald wieder so gutes wie diesmal von Ihnen
vernehmen. Wie sohön ist es doch um unsere Kunst, solang wir mit
ihr allein bleiben und nicht das stechende Verlangen spüren, die
ganze Welt zu Zeugen unserer Umarmungen zu machen.- Zuerst Flammen,
Einsamkeit und Begeisterung - dann - Agenten, Verleger, Wanzen, Publi-
cum.—
Leben Sie wohl und seien Sie vielmals herzlichst gegrüsst
Ihr treu ergebener
Arthur Schnitzler.