B43: Hofmannsthal, Hugo von_1 an HvH, Abschrift, Seite 23

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A.S.an H.v.H.
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Wien, 23.5.96.
Schweinen und weit über den Schnapsflaschen des
technisch ausgezeichneten Heyden steht. Die Meister-
Mein lieber Hugo, ich freue mich sehr, dass Sie sich
singer habe ich schon einmal gehört, heute wieder.
meiner erinnert haben und noch mehr, dass Sie bald
Neulich Tristan, dem arger Schad zugefügt wird, in-
zurückkommen. Im Juni wollen wir dann doch noch
dem man sich einbildet, ihn ungekürzt geben zu kön-
ein paar Mal zusammen sein. Und das eine Mal von
nen oder gar zu müssen. An den Geschwistern und am
den paar werde ich wohl das Stück vorlesen können.
Clavigo hab ich mich trotz vieler Mängel der Darstel-
Ich habe jetzt mehr Zuversicht. Aber mit meinem gan-
lung neulich tief erfreut. Zum ersten Mal (in den Ge-
zen Herzen bin ich doch nicht dabei. Vielleicht
schwistern) die Conrad Ramlo gesehen, die viel zu
ist das sogar gut: vielleicht ist es ein Fehler
bedeuten scheint.- Heute wird Sedan gefeiert; Fah-
von vielen meiner Sachen, dass ich mit ihnen im
nen, Wimpeln, Festzeitungen,Festvorstellungen.Men-
Sehreiben zu zärtlich geworden bin.
schen auf der Strasse hin und her, geschmückte Stadt
Ihren Artikel über Poesie und Leben habe ich als
wohl auch einige von Stolz und Begeisterung ge-
ein schönes Gedicht empfunden; aber es kam mir vor,
schwellte Herzen, die man zum Glück nicht sieht.
als wenn Sie die Grenzen der Poesie zu eng gezogen
Das andere aber ist ein helles und freundliches
hätten, während es doch Ihre Absicht war, sie zu er-
Bild
weitern. Woher eigentlich dieses sonderbare Bedürfnis
Freitag den 6. werdeich wohl wieder in Wien sein;
kommt, über Kunst zu reden. Ich selbst fühl es manch-
Schreiben Sie mir von den Manövern aus, wenn Sie
mal, und habe nachher immer oder oft das Gefühl et-
Zeit haben, noch eine Zeile dahin. Sagen Sie, wie
was überflüssiges oder gar unrechtes getan zu haben.
ist denn eigentlich Ihr Rennen ausgefallen? -
Es kommt bestimmt nicht allein daher, dass das Theo-
Von Paul und Richard, wie von mir die herzlichsten
retisieren einfach meinem Wesen nicht entspricht.
Grüsse, Jetzt wollen wir vor der Oper, nach Nymphen-
Und meine Sehnsucht, ins klare zu kommen, ist gewiss-
burg fahren.
auch nicht gering. Und was Goethe, Lessing-Hebbel,
Ihr
wes Sie ünd andere über Kunst sagen, lese ich
Arthur
gern; manches beruhigt mich, indem es abschliesst,
anderes bewegt mich, indem es Thore aufschliesst,
==== =======
Wir sprechen einmal darüber.
Brahm ist jetzt da, den ich persönlich gern habe.
Gestern Abend waren er, Richard, Salten und Schwarz -
kopf bei mir. Gelesen hab ich die französische Re-
volution von Taine,die Olla potrida des durchtrie-
benen Fuchemundi, die Noten zum Divan und einen
englischen Kriminal Coman.- Mein Sommerplan ist
Norwegen, Schweden, Dänemark; und eine Novelle.-
Jetzt ist ein Gewitter mit Blitz und Donner und
abend geh ich zum "Zerrissenen".
Herzlich der Ihre
A.S.