B43: Hofmannsthal, Hugo von_1 an HvH, Abschrift, Seite 91

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falls wissen (Südbahnhotel), wie lange Sie noch in
Liesing bleiben. Hiemit wäre das Aeusserliche der
letzten Honate und der nächsten Zukunft in Kürze
mitgeteilt; es gab im übrigen recht viele gute Stun-
den, aber mehr hypochondrische als mit Ruhe zu tragen
wären. Künstlerische Intensität wurde häufiger auf
Spaziergängen durchlebt als am Schreibtisch und die
neuesten Gestalten lassen sich wohl bis ins tiefste
erkennen, aber nicht bis ins letzte regieren. Ich freue
mich auf unser nächstes Zusammensein und erhoffe es
bald.
Herslichst
Ihr
A.
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Wien, 27. November 1906.
ieber Hugo, schönen Dank für das Buch.Ausserordentlich
habe ich Ihre Vorrede zu "Tausend und eine Nacht“, dann
Ihren Artikel über die Tänzerin Ruth gefunden. In frühe-
rer Zeit war in solchen Aufsätzen von Ihnen zuweilen
ein oder das andere Wort enthalten, das sich zu hoch
davonschwang, so dass manchmal gerade eine besondere
Schönheit mir den Hhythmus des ganzen ein wenig störte.
Jetzt ist Gleichmass und Flügeliaftigkeit auch diesen
Aufsätzen so vollkommen eigen, und die Eigenartigkeit
Ihres Prosastils ist zugleich so gewahrt und so erhöht
worden, dass man für diese Produkte am liebsten einen
eigenen Namen ersinnen möchte. Sehr schön waren auch
die Dialoge über die "Schwestern", besonders der zwei-
te Artikel, Wunderbar ist es Ihnen gelungen den Wider-
streit der Empfindungen auszudrücken, mit dem man dem
ganzen Problem Wassermann gegenübersteht, indem Sie,
wohl auch zu eigner Beruhigung, Ihre Seele dialectisch
aufgelöst und sich dazu bekannt haben, dass wir nicht