B43: Hofmannsthal, Hugo von_2 (III) Originale cont, Seite 301

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Ich würde schon einen viel geringeren Anlass, als den Militär-
zwang, für einen höheren Akt des Schicksals ansehen. Aber rings-
herum sterben die Menschen zu tausenden, und sterben nicht ge-
Ich habe Verwundetentransporte vom Hilfsplatz geführt, und sie
starben mir am Wagen: Mit Aechzen und Qualen und Aufbäumen wider
dieses Nutzlose, das sie zwang. Und wenn das wahr ist, dieses
Stöhnen und Fluchen, dann können Jahrtausende es nicht abbüssen,
was geschieht. Ich habe nicht von Gott verliehen die Liebe, von
der der Apostel Paulus spricht – aber dies hier, das ist meine
Sache, die mich quält und mich nicht wird sterben lassen, wenn es
an dem sein wird, jetzt oder in fünfzig Jahren.
sehen Sie, verehrter Herr, ich sitze jetzt in einer
tschechischen Kolonie in Kleinrussland. Jedes Dorfhaus ist so
gross und stattlich, wie ein poinischer herrschaftlicher Saierhof.
Das Wohnhaus ist weiss und krank, die Ställe herum geräumig und
sauber. In der Mitte des Dorfes sind vier Gebäude die Volksspar-
kasse, die tschechische Schule, die tochechische Beneda, die
katholische Kirche: aus eigenem Geld errichtet und organisiert.
Jeder Bauer, mit dem ich rede, ist Organisator, Volksmann, Politi
ker auf eigene Rechnung und Gefahr. Dieser Eindruck ist unbe-
schreiblich. Man war ein langes Jahr unter Polen. Dort ist der nur
Zustand des Ganzen und der Zustand den Einzelnen: Zuflösung,
Desorganisation der messchlichen Gesellschaft, Rückkehr zum hom
homini lupus. Denn der Zusammenschlues zum gesellschaftlichen
G.F.P
Mechanismus, die Basis der Kultur, ist ja kein einmaliger Frusess
sondern ein dauernder: er vertieft und vorgefertigt sich, er ver-
tigen