B43: Hofmannsthal, Hugo von_2 (III) Originale cont, Seite 304

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deten sich dreiundvierzig - mehr hatte unsere Schule nicht.
Aber dann kamen wieder andere Dinge, von denen ich gar nicht
reden mag. Und was das Aergste ist: die geistigen Menschen
stehen im Wesentlichen nicht hinter uns.
Nun habe ich wirklich Angst, deutlich weiterzureden.
Nicht vor den Zensur, sondern vor mir selbst. Ich ritt einmal
ein Stück Weges zusammen mit einem bosnischen Lehrer, Salih
Ljubeucic aus Jajoe. Er war, als Lehrer, mit Anfang des Schul-
jahres aus der Front in die Heimat zurückberufen. Er erzählte und
erzählte von seiner Heimat, sechs Stunden lang, während wir
nebeneinander ritten, von den Gebäuden, dem Essen und Trinken,
den Hochzeiten, den Basars, den Volksliedern von Prinz Markowitsch
und von Wick, Goethes Freund, mit dem sein Vater befreundet ge-
wesen. Und plötzlich sagte er - aber was nutzt es, wenn ich's
hier aufschreibe, und den Ton in der Stimme und die Augen nicht
mit aufschreiben kann: "Weisst Du, wir standen gerade im Feuer,
da brachte mir der Wachtmeister die Entlassung. Ich musste auf
den Himmel schauen, Allah war über mir.“ So freuen sich Menschen
auf die Heimat und auf Frieden.- Wir sind ja armselige Kosmopo-
liten- ich liebe ja Prag, meine Heimat, unbeschreiblich, und doch
habe ich jahrelang auswärts gelebt, wenn auch mit Sehnsucht.
Aber ich möchte mich nicht an das Einzelne verlieren.
Wir werden hier weiterleben oder sterben, das ist nicht das
Wichtigste, Aber nachher? Ist es naturgemäss Zukunft, dass es
sich wieder concentrieren und vergeistigen soll? Wird gekämpft
mit der Natur oder gegen die Natur? Sind wir hier Menschen oder