B51: Kesser, Hermann, Seite 23

Kerne
Lieber sehr verehrter Herr Dr. Arthur Schnitzler,
vor wenigen Tagen sah ich endlich “Fräulein Else“
imurm. Ich versank in tiefe Nachdenklichkeit über das Thema,
was die Filmleute aus einer Dichtung machen müssen, damit es dem
Geschmack von vielen Millionen entgegenkommt. Aber das ist wohl
ein fast unveränderlicher Zustand, und es scheint mir fast über-
flüssig zu sein, Ihnen gegenüber darüber noch Worte zu machen.
Vom Paul Zaelmay Verlag erhielt ich vor einigen Tagen
eine Ankündigung von der Versammlung der Wiener Verlagsautoren.
Sie waren seinerzeit so liebenswürdig mir zu schreiben,
Sie würden gelegentlich Costa gegenüber eine Bemerkung machen.
Ich weiss nicht, ob Sie vielleicht bei den kommenden oder bei
einem anderen Anlass etwas zu meinem Gunsten vorbringen können.
Ist dies möglich, so wäre ich Ihnen selbstverständlich überaus
dankbar. Der Verlag hat mich wirklich nicht eben in entgegen -
kommender Weise behandelt. Er hat mein Buch in eine Reihe von
Autoren gestellt, die wirklich etwas weniger erreicht haben als
ich und er stellt mir in der Propaganda Autoren voran, von denen
ungefähr das Gleiche gilt. Dabei besteht die Tatsache, dass das
Buch, das eine ganz ausserodentliche Presse gefunden hat, auf
einen Auflagenefolg zu bringen wäre, wenn sich der Verlag nur auf
seine elementarsten Pflichten besinnen wollte. Aber das tut er,
wie es scheint nicht, weil mir natürlich aus der Entfernung jede
Möglichkeit der persönlichen nachdrücklichen Einwirkung genommen
ist.
Ich bin ja mit Verlegern nicht verwöhnt. An allerlei
Erfahrungen reich. Das mir nun gerade der berühmte Zsolnay=Verlag
durch seine Nichtverwendung alle Möglichkeiten beschneidet-er
verdirbt mir ja damit auch meine ganze Situation- darin liegt für
mich etwas Trostloses.
Verzeihen Sie, wenn ich diesen Stossseufzer hier nieder-
lege! Vielleicht vermag ein kräftiges Wort von Ihnen bei Zsolnay
etwas auszurichten.
Mit sehr herzlichen Wünschen und Grüssen bin ich -8
bittend mir nicht zu verübeln, wenn ich mich in dieser Sache noch-
mals an Sie wende-
Ihr treu ergebener
Herrnann Kesser
22. 5. 29