B52: Körner, Josef, Seite 36

PRAG XIX., Na-hutich 661.
PROF. Dr. JOSEF KÖ NNER
2. Mai 1931.
Hochverehrter Herr Doktor,
gleich Ihnen sollte auch ich mit einer Entschuldigung beginnen,
daß Ihr sehr gütiges Schreiben von Ostern erst heute Erwiderung findet.
Wollen Sie bitte aus meiner Zögerung nicht schließen, daß dieses Schreiben
mich in sachliche Verlegenheit gesetzt hätte; aber wohl in persönliche Vor-
wirrung. Ich kann ja Ihren ausführlichen Brief in jedem Sinn nur als ein
Geschenk betrachten 9 als ein wertvolles! - und hätte es, um zu so kost-
barem Geschenk zu gelangen, offenbar gar nicht schlauer anstellen können,
als daß ich - Ihrer Meinung nach - zuvor Ihren Unwillen erregte. Aber weder
diese^ unmittelbare, noch jene mittelbare Wirkung war beabsichtigt.
Im Ernst zu reden: - (Aber wie soll man ernst bleiben, wenn die
Geschichte so drollig ist) -in wecheelseitigem Mißverständnis sind wir einer
über den andern erstaunt, machen einer dem andern eine Empfindlichkeit zum
Vorwurf, die hier wie dort gar nicht ins Spiel gekommen zu sein scheint. Ich
war erstaunt über die durchaus unzutreffende Interpretation der kleinen
Studie und mehr noch darüber, daß Sie mir eine übelwollende Beurteilung
Ihres Werks zutrauen. Weil ich mich aber keineswegs für unfehlbar halte,
und es doch immerhin möglich wäre, daß trotz bester Absicht infolge notge-
drungener Kürze oder schriftstellerischen Ungeschicks in meine Sätze eine
Färbung gekommen sei, die Ihre Auffassung ermögliche, ja erzwinge, legte
ich die Anzeige ein paar befreundeten (und sämtlich Ihrem Werk zugeneig-
ten) literarischen Freunden zur Beurteilung vor; keiner wollte Ihre Beau-
ständung teilen.
Wenn Sie sich das Blatt (aber damit mute ich Ihnen wohl zuviel
zu) nochmals ansehen wollten, so würden Sie finden, daß auf S.33 mit dem
Worte von der berühmten Jugendnovelle kräftig genug ausgesprochen ist, daß
David nun mit einem Dichter verglichen werden soll, der nach Niveau und
Ansehen hoch über ihm stand. Im Folgenden wird dann bloß die Motivik beider
Dichter gegenübergestellt in völlig wertefreier Betrachtung. Den Lesern
der gelehrten Zeitschrift durfte gar nicht ausdrücklich eingeschärft wer-
den, daß hier bloß von einem unterschiedlichen Was die Rede sei und gar
nicht von dem den Wert und die Bedeutung des Dichters überhaupt erst be-